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Das Risiko der Risikoaversion

von Mag. Christian Sec

Versicherungen verdienen mit der Risikoaversion der Menschen ihr Geld. Mutiger zu werden und sich trauen die Komfortzone zu verlassen gehört wohl zu den beliebtesten Neujahrsvorsätzen. Aber wie notwendig ist es für uns, manchmal alles auf eine Karte zu setzen?
Der Wiener raunzt geduldig während sich der Aggregatzustand seiner Melange langsam verändert. Seine Trägheit ist so zeitlos wie die Moralvorstellungen der katholischen Kirche. Nur der Ruf der Obrigkeit setzt der Sehnsucht nach Unveränderlichkeit ein jähes Ende. „Sperrstunde“. Echte Heldentaten, also Wagnisse im realen Leben, sind für ihn keine Alternative, weil sie den sicheren Verlust von Gemütlichkeit bedeuten würden, die höchste zivilisatorische Errungenschaft, die er sich vorstellen kann. Tatsächlich ist der Österreicher jemand der Unsicherheiten, die die Zukunft betreffen genauso hasst, wie klare Verhältnisse. Risikofreudig ist höchstens sein Trink- und Essverhalten, aber dies hat wiederum mit seiner Einstellung zur Gemütlichkeit zu tun. Das Unbehagen vor dem Fremden und damit auch vor der Zukunft ist dem Österreicher in die Wiege gelegt, dies zeigt auch der Index des Hofstede-Instituts, einem internationalen Beratungsbüro für Kultur. Der Wert der Unsicherheitsvermeidung liegt dabei bei 70. In den USA liegt dieser Wert bei 46 in Großbritannien gar bei 35. Aber auch in unseren Nachbarländern der Schweiz und Deutschland hat man einen amikaleren Zugang zur Veränderung. Dort liegen die Werte bei 58 respektive 65. Die Veränderungsresistenz des Österreichers wird also auch international anerkannt. Wagnisvermeidung gehört zur Grundausstattung des Österreichers, was sich auch im Anlageverhalten zeigt. Die Aktionärsquote ist niedrig wie kaum in einem anderen Industrieland. Je nach Statistik liegt die Aktionärsquote in Österreich bei rund fünf Prozent. In Schweden besitzt fast jeder fünfte Aktien, in Großbritannien und den USA jeder vierte. Der Bausparer bringt Sicherheit, auch wenn er mit einem Realwertverlust einhergeht.
Risikoreiche Lebensentscheidung
Für die Versicherungen bildet die Risikoaversion der Bevölkerung die Grundlage ihres Geschäftsmodells. Wären alle Menschen unter allen Bedingungen risikoneutral oder gar risikofreudig käme vereinfacht gesagt, kein freier Markt für Versicherungsschutz zustande. Ist aber unser risikoaverses Verhalten, für uns in allen Lebenslagen empfehlenswert? Vielleicht lautet unser Neujahrsvorsatz gar mutiger zu sein oder mehr zu wagen. Ein Wagnis einzugehen, bedeutet jedenfalls, dass man hohe Verluste für seine Handlungen miteinkalkulieren muss. An den Börsen zu investieren anstatt in einen Bausparvertrag heißt auch das Risiko einzugehen hohe Verluste einzugehen. Es bedeutet mit Sicherheit etwas aufzugeben – und wenn es nur die Sicherheit an sich ist – ohne Garantie, dass man sein Ziel erreicht. Es ist jedenfalls sicherer in der Anonymität der Wohnsilos, wo es nach Bohnerwachs und Spießigkeit riecht zu verharren, wie Udo Jürgens im Song „Ich war noch niemals in New York“ singt. Warum also Risiko einzugehen, wenn der Einsatz so hoch ist? Udo Jürgens war jedenfalls keiner von denjenigen, die hinter neongelben Stiegenhäusern risikolose Zeitverschwendung betrieben. Schon mit zwölf wusste er, dass er Musiker werden wollte. Er verließ den Komfort des elterlichen Prachtanwesens in Kärnten, um durch die Spelunken der Provinz zu tingeln. Die Begeisterung der Zuhörer sei „enden wollend“ gewesen gab er über diese Zeit einmal zu Protokoll. Über zehn Jahre hinweg gab es für ihn kaum nennenswerte Erfolgserlebnisse. Zweifeln darüber, ob seine Lebensentscheidung richtig war, kamen ihm jedoch nie. Er setzte also alles auf eine Karte und wurde schließlich für seine Beharrlichkeit belohnt und mit 105 Millionen verkauften Tonträgern zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Künstler aller Zeiten. Auch der berühmte Philosoph Sören Kierkegaard hätte gut und gern ein Leben in Saus und Braus ohne viel Anstrengungen führen können. Er war verlobt mit der Liebe seines Lebens und hatte aufgrund eines Erbes keine Geldprobleme. Die nackte Existenz war es also nicht, die ihm eine folgenschwere Entscheidung abrang, die mit einem herben Verlust einherkam. Er löste die Verbindung mit seiner großen Liebe, um ein großer Philosoph zu werden. Dieses Lebensziel war für ihn nur durch das…….. lesen Sie mehr in der Jänner Ausgabe von risControl.

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