Stefanie Thiem
Stefanie Thiem ©Allianz
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Hohes Risiko auf See

AGCS

Weltweit gingen im vergangenen Jahr 54 Schiffe verloren, rund 3.000 waren in einen Unfall verwickelt. Während die internationale Schifffahrtsindustrie ihren positiven Sicherheitstrend mit verbesserten Schiffskonstruktionen, neuen Technologien und verschärften Vorschriften fortsetzt, werden die Rahmenbedingungen durch Überlastung der Häfen, Cyber-Risiken, die Folgen der Pandemie und zuletzt auch den Angriff russischer Truppen auf die Ukraine immer problematischer. Dies geht aus der aktuellen Schifffahrtsstudie hervor, die Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) veröffentlichte.

Der Studie zufolge ist Südostasien der globale Risiko-Hotspot für Totalverluste von Schiffen. Als Ursache dafür gelten das hohe Handelsaufkommen, ältere Flotten und extreme Wetterbedingungen in der Region. Viele Schiffsunfälle gibt es aber auch im Bereich der Britischen Inseln. Maschinenschäden, Kollisionen und Brände seien Hauptursachen, wobei letztere im Vorjahr stark steigende Tendenz zeigten – nicht zuletzt durch den immer häufigeren Transport von Elektrofahrzeugen auf Autofrachtern.

Pandemie und russische Invasion der Ukraine treffen auch die Schifffahrt
„Der Schifffahrtssektor hat eine hohe Widerstandsfähigkeit bewiesen. Gleichzeitig geben aber die Verlängerung der Nutzungsdauer von Schiffen und die Zweckentfremdung ungeeigneter Schiffe für den Container-Transport Anlass zur Sorge“, betont Stefanie Thiem, Hauptbevollmächtigte der AGCS in Österreich. Dazu gesellt sich als Folge der COVID-19-Pandemie eine erhebliche Besatzungskrise. Viele qualifizierte Seeleute verließen die Branche, bei den verbliebenen ist die Arbeitsbelastung und damit die Fehleranfälligkeit extrem hoch. Tatsächlich sind 75 Prozent aller Zwischenfälle in der Schifffahrt auf menschliches Versagen zurückzuführen, wie die AGCS-Studie zeigt.

Durch die Invasion der Ukraine durch russische Truppen wurde die Schifffahrtsindustrie in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt, insbesondere durch den Verlust von Schiffen im Schwarzen Meer und die Unterbrechung des Handels. Zudem hat die Branche im täglichen Betrieb mit Auswirkungen auf die Besatzung, Treibstoffproblemen und potenziellen Cyberrisiken zu kämpfen. Eine Herausforderung stelle teils auch die Einhaltung der steigenden Sanktionen gegen Russland dar, ein Verstoß gegen die Sanktionen könne zum Beispiel auch rechtliche Folgen und Strafen nach sich ziehen, heißt es in der Studie.

Transportboom: Risiken auf See und im Hafen
Die wirtschaftliche Erholung nach den Lockdowns hat zu einem Boom in der Schifffahrt geführt, aber die Risiken deutlich verschärft. Angesichts rekordverdächtiger Charter- und Frachtraten sehen sich Reedereien mitunter dazu verleitet, ungeeignete Massengutfrachter oder Öltanker für den Containertransport einzusetzen. Deren Manövriereigenschaften sind bei schlechtem Wetter beeinträchtigt, die Besatzung ist oft nicht in der Lage, in kritischen Situationen richtig zu reagieren. Aufgrund ihrer hohen Transportkapazitäten kommen zudem immer größere Schiffe zum Einsatz, die jedoch im Fall des Falles nur schwer einen geeigneten Nothafen finden. Auch das Durchschnittsalter der eingesetzten Schiffe wird immer höher. Bedenklich, denn Analysen zeigen, dass ältere Container- und Frachtschiffe eher zu Schäden neigen, da sie unter Korrosion leiden und Systeme und Maschinen häufiger ausfallen.

Ein echter Risikofaktor ist auch die noch nie dagewesene Überlastung des Hafenpersonals und der Hafenanlagen. „Das Be- und Entladen von Schiffen ist ein besonders riskanter Vorgang, bei dem kleine Fehler große Folgen haben können. In stark frequentierten Containerhäfen gibt es nur wenig Platz, und erfahrene Arbeitskräfte, die eine ordnungsgemäße Abfertigung der Container sicherstellen, sind rar. Wenn dann noch schnelle Umschlagzeiten hinzukommen, kann dies sehr gefährlich werden“, erläutert Stefanie Thiem. Der Schifffahrtsindustrie dürften jedenfalls auf hoher See wie im Hafen weiterhin stürmische Zeiten bevorstehen.

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