Wir haben mit Mag. Toni Innauer über Goldmedaillen, Leistungsfähigkeit, Scheitern und Lebenszeit gesprochen.
Wie haben Sie es geschafft, nachdem Sie in Innsbruck 1976 als überlegen Führender nach dem ersten Durchgang im Zweiten Durchgang dem Druck nicht standgehalten haben, in Lake Placid 1980 in derselben Situation, wohl wissend, dass es vielleicht die letzte Chance ist, die Nerven zu behalten?
Toni Innauer: Zuerst habe ich nach dem Verlust der Goldmedaille in Innsbruck 1976 ein Jahr gebraucht, die Wirklichkeit anzuerkennen, und erst dann eingesehen, dass es meine eigene Schuld war. Die mentale Vorbereitung auf Lake Placid 1980 hat bereits Monate zuvor stattgefunden. Daran habe ich hart gearbeitet. Ich wollte noch einmal in die Situation kommen, die ich damals verhaut habe. Das war mein größter Wunsch. Natürlich war es mir nicht wurscht, ob ich dann gewinne oder nicht, aber ich wollte das, was ich steuern kann, besser steuern als vier Jahre zuvor. Ich habe über Monate darauf vorbereitet, wie ich mich fühlen werde bei den Spielen. Ich wollte mit Freude und Spaß das umsetzen, was ich kann und mich nicht kleinmachen lassen von der Versagensangst, der Erinnerung und dem Trauma. Ich wollte mich wohlfühlen, wie an einem Tag, wo es um nicht viel geht, und das kann man tatsächlich programmieren, wenn man sich bereits lange zuvor die Situation imaginiert. Die Niederlage und Enttäuschung zu überwinden, dabei half auch mein Trainer Baldur Preiml, der mir immer wieder gesagt hat, der an mich glaubte und mir versicherte, du wirst auch einmal Olympiasieger. Das ist das Tolle an einem Leistungssportteam, dass die Trainer dir helfen Oberwasser zu behalten.
Gab es eine psychologische Betreuung, um die Traumata des verpassten Olympiasieges 1976 zu überwinden?
Nein, ich habe einen guten Instinkt gehabt dafür, was mir fehlt. Ich habe nach dem Verlust der Goldmedaille in Innsbruck 1976 ein Jahr gebraucht, die Wirklichkeit anzuerkennen, und erst dann eingesehen, dass ich es selbst vergeigt hatte. Entscheidend für Lake Placid 1980 war die mentale und körperliche Voraussetzung, weil die konnte ich beeinflussen. Wie der andere springt oder wie der Wind ist, liegt nicht meiner Hand. Dieser Gedanke hat mich auch beruhigt, weil ich wusste, dass ich mich optimal vorbereitet hatte. Die Windverhältnisse beim entscheidenden Sprung waren wahnsinnig schwierig. Nach dem Absprung hatte ich keinen guten Wind. Aber ich habe mir gesagt, wenn ich ruhig bleibe, kann es mich im letzten Teil, wo es Aufwind gab, noch weit runtertragen, und genauso war es auch. Während andere versucht früher panisch geworden sind, bin ich einfach cool geblieben, auch dank der langfristigen Vorbereitung. Verrückt war auch, dass ich zwei Tage vorm Springen noch die Schuhmarke gewechselt habe, und zwar von Adidas zu Dachstein. Der Adidas-Schuh ist bei der Kälte in Lake Placid zu steif geworden und daher habe ich den Schi nicht gut genug in der Luft gespürt. Dabei habe ich mir die Schuhe von meinem Teamkollegen Tuchscherer ausgeborgt, der Ersatzspringer war. Der neue Schuh war mir jedoch eineinhalb Nummern zu groß. Trotzdem habe ich beim ersten Sprung bemerkt, mit dem Schuh spüre ich mehr und daher bin ich das Risiko eingegangen damit zu springen. Es war eine verrückte Entscheidung aber letztendlich eine Goldrichtige.