Michael Kordovsky
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Sprache der Notenbanker vs. Sprache der Märkte

von Michael Kordovsky

„Wir heben die Zinsen an und werden sie weiter anheben, in einem steten Tempo, bis sie auf einem Niveau sind, das eine zeitige Rückkehr zu unserem Zwei-Prozent-Ziel sichert“, kündigte EZB-Präsidentin, Christine Lagarde an und Fed Chef, Jerome Powell verkündete unmittelbar nach der jüngsten Leitzinsanhebung um weitere 0,5 Prozentpunkte auf 4,25 bis 4,50 Prozent: „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass weitere Erhöhungen angemessen sind“. Im Gegensatz dazu reagierte der Markt bereits ganz anders: Am 14 Dezember hat die Fed die Leitzinsen angehoben und bereits vom 23. Oktober bis 15. Dezember waren die Renditen zehnjähriger US-Treasuries am Terminmarkt von 4,23 auf 3,45 Prozent rückläufig ehe wieder bis 23. Dezember ein moderater Anstieg auf 3,75 Prozent folgte.

Von Oktober auf November war nämlich die US-Inflationsrate von 7,7 auf 7,1 Prozent rückläufig. Doch hohe Wohn- und Energiekosten führen zu einer Rekorddifferenz zwischen der Teuerung des normalen Verbraucherpreisindex und den von der Fed beobachteten Index der persönlichen Konsumausgaben (PCE-Index). Im Euroraum führte eine Konsolidierung der Energiepreise zur einer vorübergehenden Entspannung der Headline-Inflation: Dort war die Inflation von Oktober auf November von 10,6 auf 10,1 Prozent rückläufig. Die Teuerung der Energiepreiskomponente war bei von 41,5 auf 34,9 Prozent rückläufig. Betrachtet man die Kerninflation ohne Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak, so war diese stabil bei 5 Prozent.

Inverse Zinskurve

Obwohl die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen auf Monatsbasis um 55 Basispunkte auf 2,51 Prozent anstiegen, ist dies ein niedriger Wert, denn der Hauptrefinanzierungssatz der EZB liegt mittlerweile bei 2,50 Prozent. Bei den Euro Swapsätzen herrscht teilweise eine inverse Zinskurve vor. Hochpunkt ist der 2-Jahres Euro Swapsatz mit 3,36 Prozent zumal der Markt ein Leitzins-Hoch zwischen 3 und 3,75 Prozent erwartet. Der fünfjährige Swapsatz liegt nur noch bei 3,14 Prozent ehe auf 6 Jahre wieder ein marginaler Anstieg erfolgt. Bis 11 Jahre ist der Verlauf noch flach. Doch der für 20jährige Fixzinsbindungen bei Wohnbaukrediten relevante 20Jahres Euro-Swapsatz liegt nur noch bei 2,86 Prozent ehe es auf 30 Jahre bis 2,46 Prozent steiler bergab geht. In Europa sehen also die Marktteilnehmer über längere Zeit keine wesentlich höheren Leitzinsen mehr. Ähnlich ist auch die Situation in den USA:

Wirft man einen Blick auf die Fed Fund-Futures des CME Fed Watch-Tools, dann sollte in der ersten Jahreshälfte spätestens bei 5,00 bis 5,25 Prozent der Hochpunkt erreicht sein und bis Jahresende 2023 ist sogar eine kleine Zinssenkung nicht mehr auszuschließen. Das lässt sich aktuell aus der eingepreisten Wahrscheinlichkeitsverteilung ablesen.

Fazit: Sowohl die Aussagen der Notenbanker als auch Zinsszenario-Einpreisungen der Märkte haben eine Gemeinsamkeit. Beide beruhen auf menschlicher Markteinschätzung. Da kein Mensch unfehlbar ist, sind Einschätzungen und Aussagen von Notenbanken, Analysten und Fondsmanagern immer kritisch zu reflektieren, denn die Dynamik des Wirtschaftsgeschehens diktiert den Akteuren das Gesetz des Handelns. Obwohl jeder Zinszyklus seine Eigenheiten hat, darf dabei eines nicht vergessen werden. Orientiert man sich seit den 70er-Jahren an vergangenen Zins- und Inflationszyklen, so dürften uns steigende Leitzinsen noch länger – eventuell über das gesamte Jahre 2023 – begleiten. Ob dies  auch jetzt wieder zutrifft, bleibt abzuwarten, denn derzeit sind unterschiedlichste Szenarien möglich.

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