Internet und künstliche Intelligenz verbrauchen enorm viel Energie.
ChatGPT, dieses Kürzel beherrscht seit einigen Wochen die Medienberichte zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Dieser Generative Pre-trained Transformer ist der Prototyp eines textbasierten Chatbots des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI. „Was diese KI alles beantworten kann“, sind viele Beta-Tester verblüfft. „Was diese KI alles an Energie verbraucht“, frage ich mich als Nachhaltigkeitsmanager.
Stromfresser Internet
Etwa 4,9 Milliarden Menschen rund um den gesamten Globus sind heutzutage 24 Stunden am Tag mit dem Internet verbunden. Nicht nur mit einem Endgerät (Smartphones, Tablets, Laptops, klassische PCs, usw.), sondern oft mehreren gleichzeitig. Im Jahr 2021 war alleine Video-Streaming für 48,9 Prozent des globalen Datenverkehrs verantwortlich. Möglich macht das eine wachsende Zahl an Rechenzentren von Giganten wie Google, Microsoft, Amazon & Co.
Wäre das Internet ein Land, wäre es das Land mit dem weltweit sechstgrößten Stromverbrauch der Erde. Es läge mit einem Anteil von 2,8 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß auf Platz 6 hinter China, den USA, Indien, Russland und Japan. Verantwortlich für den enormen Stromverbrauch sind vor allem der Betrieb der Server und deren ununterbrochene Kühlung.
Neugierige Internet-Nutzer
Eine Google-Suchanfrage verursacht einen Strombedarf von rund 0,3 Wattstunden (Wh) sowie einen Ausstoß von 0,5 Gramm CO2-Äquivalenten (CO2e). Etwa 6 Millionen Suchanfragen weltweit pro Minute summieren sich auf 1.800 kWh Stromverbrauch bzw. auf den Ausstoß von 3.000 Kilogramm CO2e pro Minute. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher, österreichischer Single-Haushalt verbraucht etwa die gleiche Menge an Strom – allerdings pro Jahr. Die großen Suchmaschinen-Betreiber sind gerade dabei bzw. planen in naher Zukunft, künstliche Intelligenz in ihre Suchroutinen einzubauen. Das Verknüpfen der riesigen Datenmengen soll zu noch besseren Suchergebnissen führen. Laut einem Bericht des Magazins WIRED könnte die Integration von OpenAIs ChatGPT und ähnlichen Technologien zu einer Verfünffachung der erforderlichen Rechenleistung führen und enorme zusätzliche CO2-Emissionen verursachen.
Mehr CO2-Emissionen für (noch) bessere Suchergebnisse
Noch mehr Stromverbrauch dafür, dass die Suche nach Begriffen wie Ukraine, Corona-Impfung, WM, Olympia, Dominic Thiem und Klimawandel bessere Treffer erzielt? Noch mehr CO2-Emissionen, damit das Internet auf Fragen wie „Wie alt ist Putin?“, „Wie tief ist der Ozean?“ oder „Wie lange leben Zwerge?“ bessere Antworten ausspuckt? Dazu kommt der Energieverbrauch für das Stillen des ständigen Datenhungers der KI, der wahrscheinlich mehrfach anfällt, weil die Suchmaschinen-Riesen Google, Microsoft und Baidu ihre Datenbanken nicht miteinander teilen werden, sondern jeder Konzern seine eigene Datenbasis aufbaut.
Ganz zu schweigen von der erforderlichen Rechenleistung für das Beantworten komplexer Fragestellungen und dem Generieren ganzer Schulaufsätze oder Diplomarbeiten, die den Stromverbrauch noch mehr steigen lassen.
Martin Bouchard, Mitbegründer des kanadischen Rechenzentrumunternehmens QScale, der im WIRED-Artikel zitiert wird, ist der Ansicht, dass die Integration von KI in die Suchroutinen „mindestens vier- oder fünfmal mehr Rechenleistung pro Suche“ erfordern wird. Das bedingt auch erhebliche Investitionen in Hardware, denn die vorhandene Infrastruktur kann die kommenden Anforderungen nicht bewältigen.
Sind (noch) bessere Suchergebnisse das tatsächlich wert?
Ich bin – insbesondere als ausgebildeter Techniker – weder ein Feind von neuer Technologie noch von zukunftsträchtigen Innovationen. Ganz im Gegenteil. Dennoch stelle ich mir die Frage, ab sich die Investition in noch mehr Rechenleistung, deren Folge noch mehr CO2-Emissionen sind, für einen ungewissen Zugewinn an Suchgenauigkeit tatsächlich lohnt.
Quellen:
- envia Mitteldeutsche Energie AG, www.enviam-gruppe.de, „Stromverbrauch Internet“, abgerufen am 23. Februar 2022S
- andvine, www.sandvibe.com, The Global Internet Phenomena Report 2021
- Magazin WIRED, www.wired.com, „The Generative AI Race Has a Dirty Secret“, abgerufen am 23. Februar 2023
- E.ON Energie Deutschland GmbH, www.eon.de, „Stromverbrauch im Internet“, abgerufen am 23. Februar 2023
- Mike Berners-Lee, „Wie schlimm sind Bananen – der CO2-Abdruck von allem“, MIDAS-Verlag
- Google Jahresrückblick 2022, trends.google.com, abgerufen am 23. Februar 2022
- MeinBezrik.at, www.meinbezirk.at, „Ukraine und Corona am häufigsten gesucht“, abgerufen am 23. Februar 2023