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Über Probleme des Einzelhandels, weiße Weihnachten und Kanonendonner

von Thomas Beckstedt

Anfang Dezember, als der Winter schwer über uns hereinbricht, schaufeln Kurt und ich Schnee, frei nach dem Motto: Gemeinsam Schnee schaufeln und Iglu bauen, statt einsam in das Smartphone schauen.

Kurt hält inne und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Unlängst hatte ich wieder so ein merkwürdiges Erlebnis, das mir noch immer durch den Kopf geht.“

„Ja, lass hören“, frage ich neugierig und stütze mich auf die Schneeschaufel.

„Letzte Woche fiel mir auf, dass die feuerfeste Glasscheibe von meinem Schwedenofen einen Sprung hat. Wie das passiert ist, weiß ich nicht, jedenfalls war sie gesprungen. Nun gut, dachte ich mir, da kann man nichts machen, ich besorg mir eine neue. Ich suchte die technische Beschreibung des Ofens heraus und ging in den Baumarkt, wo ich das gute Stück vor etlichen Jahren erstanden habe. Dort angekommen trage ich mein Anliegen einem Verkäufer vor, der sich gerade recht angeregt mit zwei Kolleginnen unterhält. Darauf schaut er mich streng an und sagt ziemlich forsch: Typennummer und Seriennummer!“

„Ehrlich?“ Ich bin erstaunt. „Der Typ hat ja geredet wie ein verärgerter Polizist bei einer nächtlichen Fahrzeugkontrolle: Führerschein und Zulassungsschein!“

„Ganz recht“, erwidert Kurt, „dieser Gedanke kam mir in diesem Moment auch. Ich überwand meine Verblüffung und zeigte dem Verkäufer die technische Beschreibung meines Ofens, auf dem die Typenbezeichnung und die Abmessung der Glasscheibe vermerkt war. Außerdem hätte ich schon einmal in diesem Baumarkt einen Ersatzteil für meinen Ofen gekauft, doch als ich ihm sicherheitshalber auch die Ersatzteilrechnung zeigen wollte, meinte er, diese würde nichts nützen. Er würde Typennummer und Seriennummer benötigen, sonst könne er mir nicht helfen. Da fing ich an, schwer zu atmen, aber bevor ich ihm eine passende Antwort geben konnte, mischten sich die zwei Kolleginnen des Verkäufers in das Gespräch ein und empfahlen ihm, die vorhandenen Daten meines Ofens aufzunehmen und dem Hersteller eine E-Mail zu schicken; dann würde man weitersehen. Gut, das hat der Verkäufer dann auch gemacht und nachdem er sich meine Telefonnummer notiert hatte, meinte er, er würde mich anrufen, sobald er entsprechende Informationen habe.“

„Und hat er …?“, frage ich skeptisch.

„Ja, am nächsten Tag hat er mich angerufen und mir mitgeteilt, dass es, wie er schon einmal gesagt habe, tatsächlich so sei, dass er Typennummer und Seriennummer des Ofens benötige, um einen Ersatzteil zu bestellen. Super Sache, habe ich gesagt, ich werde mich sofort darum kümmern.“

„Was du natürlich nicht gemacht hast, richtig?

„Richtig. Die Plakette mit besagten Nummern befindet sich auf der Rückseite des Ofens und wenn man ihn sehr nahe an die Wand gestellt hat, wie es die meisten tun, kommt man hinterher nur noch schwer an diese blöden Nummern heran. Ich habe im Internet recherchiert und fand auf der Homepage des Herstellers den gewünschten Ersatzteil um 137.- € ohne Porto. Das erschien mit ein wenig happig, also suchte ich eine Alternative, die ich auch rasch fand: 45.- € mit Porto. Ich habe die Scheibe bestellt, sie nach wenigen Tagen erhalten und eingebaut. Und jetzt frage ich mich, warum ich nicht gleich diesen Weg gewählt habe.“

„Vermutlich, weil du dem Einzelhandel wieder einmal eine Chance geben wolltest“, erwidere ich gut gelaunt.

„Vermutlich“, brummt Kurt, „und vermutlich dürfen wir uns nicht wundern, dass besagter Einzelhandel, wenn er weiter so agiert, irgendwann vom Markt verschwunden sein wird.“

Es beginnt wieder zu schneien und wir schaufeln weiter Schnee.

„Schon komisch“, meint Kurt nach einer Weile, „jetzt schippen wir Schnee wie die Schwerarbeiter und zu Weihnachten scheint bei uns da im Weinviertel bestimmt wieder die Sonne und die milden Temperaturen lassen einen glauben, es wäre Ostern. Dabei wünsche ich mir jedes Jahr im Advent weiße Weihnachten, und Jahr für Jahr werde ich enttäuscht. Außerdem habe ich mir letztes Jahr gewünscht, dass zu Weihnachten die Waffen weltweit schweigen und wenigstens für ein paar Tage Friede herrscht. Aber nichts!“

Darauf ich: „Du weiß aber schon, dass zum Bespiel die orthodoxen Christen …“

„Ja, ich weiß, bei denen beginnt Weihnachten ein paar Tage später und ich weiß auch, dass viele Völker Weihnachten gar nicht feiern. Aber nachdem der mit gewaltigem Abstand größte Waffenproduzent und -lieferant dieser Welt Weihnachten sehr wohl feiert, und sei es hauptsächlich am 25. Dezember, finde ich meinen Wunsch durchaus passend.“

„Tja“, erwidere ich nachdenklich, „wie das Wetter wird, vermag ich nicht zu sagen, aber ich fürchte, dass es heuer erneut mit dem Weihnachtsfrieden nichts werden wird, nur dass wir aktuell neben den dutzenden kleineren und mittleren militärischen Konflikten zwei ausgewachsene Kriege haben statt einem wie letztes Jahr.“

„Ich wünsche mir trotzdem weiße Weihnachten und ein paar Tage Weihnachtsfrieden“, erwidert Kurt trotzig.

„Okay, das verstehe ich und ich wünsche es mir auch. Aber was machen wir, wenn nächstes Jahr um diese Zeit neben den vielen kleineren und mittleren Konflikten wiederum zwei oder gar drei große auf diesem Planeten toben und die Raketenartillerie donnert?“

„Dann sollten wir uns nie wieder weiße Weihnachten wünschen.“

Österreichische Versicherungswirtschaft

Weihnachtsgrüße