Ein Interview mit Gerhard Massenbauer, Chefanalyst bei HedgeGo, einem Spezialunternehmen für Währungsanalyse und -Absicherung über Anleihenmärkte, Aussicht und das „dicke Ende“ nachzulesen in der Jänner Print Ausgabe von risControl.
Am langen Ende sinken im Euroraum die Swapsätze, und die Forward-Kurve im 3-Monats-Euribor preist für den Sommer 2024 eine EZB-Leitzinssenkung ein, während auch das FedWatch-Tool in den USA rückläufige Leitzinsen signalisiert. Welches Zinsszenario erscheint plausibel?
Massenbauer: Die Marktteilnehmer erwarten den Pivot bei den Zinsen. Ich denke aber, es wird eher einen Pivot bei der Inflation geben. Die Rohstoffpreise dürften im ersten Halbjahr 2024 steigen, wenn China doch auf Wachstum setzt, was momentan wahrscheinlich erscheint. Die hohen Lohnabschlüsse werden ebenso dafür sorgen, dass die Preise nicht weiter sinken.
Werden die Zinskurven 2024 wieder steiler, oder gibt es im Euroraum noch Ausnahmen?
Massenbauer: Die Zinskurven werden sich eher einebnen, wenn die kurzfristigen Zinsen länger oben bleiben. Übrigens hat die EZB klar kommuniziert, dass sie dies beabsichtigt. In der Folge müssen die langfristigen Zinsen steigen, um das Gap (Redaktion: Zinsdifferenz zwischen kürzeren und längeren Laufzeiten) zu verkleinern. Der aktuelle „Zinsrückgang“ korrigiert nur die etwas zu große Geschwindigkeit des vorangegangenen Anstiegs der langfristigen Zinsen.
Welche Segmente des Anleihenmarktes werden 2024 interessant?
Massenbauer: Ich denke es macht Sinn bei US und Euro Anleihen eher am kurzen Ende zu bleiben. Attraktiv erscheinen im längerfristigen Segment Anleihen aus Brasilien und Mexiko.
Welche Anleihensegmente sollten gemieden werden?
Massenbauer: Ich bin für das erste Halbjahr skeptisch, dass die langfristigen Zinsen weiter sinken werden, eher das Gegenteil steht zu befürchten, wenn die Notenbanken Higher for longer auch tatsächlich umsetzen müssen, weil die Inflation neuerlich anzieht. Daher ist bei Staatsanleihen und hochwertigen Corporate Bonds bei längeren Laufzeiten noch Vorsicht geboten.
82 Prozent der Unternehmen im S&P überzeugten im dritten Quartal 2023 mit positiven Gewinnüberraschungen – eine Quote weit über dem 5-Jahresschnitt. Die Aktienkurse setzten auch zu einer Rally an. Was ist hier passiert?
Massenbauer: Die Unternehmen profitieren in den USA davon, dass die US-Regierung enorme Neuverschuldungsprogramme aufgelegt hat, um die Produktionskapazitäten in den USA zu vergrößern. Ich gehe davon aus, dass die Verschuldungsmanie der US-Regierung weiter gehen wird, sich aber abschwächen könnte. Die Gewinnsteigerungen der US-Unternehmen sollten einen relativen Höhepunkt erreicht haben, weitere Steigerungen sind nicht plausibel.