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Die unterschätzten Inflationsrisiken

von Michael Kordovsky

Nachdem die Inflationsrate im Euroraum von 9,2 Prozent im Dezember 2022 bis November 2023 auf 2,4 Prozent zurückging, herrschte große Erleichterung. Doch mit einem Anstieg auf erneut 2,9 Prozent im Dezember (zuletzt Oktober 2023) kehrt wieder Ernüchterung ein. Im Euroraum kam im Dezember der höchste Beitrag zur jährlichen Inflation von den Dienstleistungen mit 1,74 Prozentpunkten, gefolgt von „Lebensmitteln, Alkohol und Tabak“ mit 1,2 Prozentpunkten, während die Energiepreiskomponente der Teuerung noch um 0,68 Prozentpunkte entgegenwirkte, was auf einen Einbruch der Erdgaspreise infolge hoher Lagerbestände in Europa zurückzuführen ist. Doch steigende Ölpreise infolge einer steigenden Nachfrage aus China und Indien könnten hier bald inflationäre Impulse auslösen. Erste Anzeichen einer Belebung der chinesischen Exportwirtschaft und mögliche staatliche Konjunkturprogramme könnten zudem noch die Binnenwirtschaft im Industriesektor stärken. Dies würde zu einer stärkeren Nachfrage nach Industrierohstoffen führen und deren Preise beflügeln.

Ein weiterer Faktor ist und bleibt der Klimawandel: Naturkatastrophen und Missernten können Agrar- und Lebensmittelpreise hochtreiben. Unverarbeitete Lebensmittel weisen mittlerweile schon eine überdurchschnittliche Teuerung von 6,8 Prozent (Dezember 23) auf und ebenso auch verarbeitete Lebensmittel, Alkohol und Tabak (5,9 % im Dezember 23).

Besondere Lohninflationsrisiken

Ein in letzter Zeit sehr brisantes Thema ist auch die Lohninflation. Trotz eines globalen Wirtschaftsabschwungs herrscht in den USA und zahlreichen europäischen Ländern Vollbeschäftigung.

Im Euroraum betrug im dritten Quartal die Quote der offenen Stellen noch immer 2,9 Prozent, während die Arbeitskosten um 5,3 Prozent stiegen. Für das Gesamtjahr 2023 rechnen Experten mit 5,9 Prozent Nominallohnsteigerung in der EU 27, wobei es in Ungarn, Bulgarien und Polen zu Anstiegen um jeweils 14,6; 13,5 bzw. 12,7 Prozent gekommen sein sollte. Doch die jüngsten Lohnrunden haben sich da noch nicht niedergeschlagen. Alleine die Lohnabschlüsse in Österreich zeigen, wohin der Trend geht: Die gegen Ende 2023 vereinbarte Erhöhung der IST-Löhne Im Metallgewerbe beträgt 8,2 Prozent ab 1.1.2024. Die Mindestlöhne stiegen mit Jahreswechsel um 8,5 Prozent. Noch höher ist der Abschluss für die 430.000 Angestellten des Handels, deren Gehälter zwischen 8,3 Prozent und 9,2 Prozent steigen. Europaweit ist Inflationsausgleich ein Thema und die Gewerkschaften sind stark, vor allem dann, wenn Personalmangel herrscht. In Deutschland mehren sich die Streiks. Die stärker mit den Lohnkosten korrelierende Dienstleistungspreiskomponente, die im HVPI mit 43,53 Prozent gewichtet ist, könnte sich noch viel stärker als zuletzt um 4 Prozent (Dezember 23) verteuern.

Die Lohninflation ist somit ein bedeutendes Thema, da verschiedene makroökonomische Rechenmodelle auf Basis historischer Daten folgende Faustregel ableiten: Eine Lohnerhöhung von 10 Prozent verursacht voraussichtlich einen Inflationsbeitrag von 3 Prozentpunkten (Faktor: 0,3). Allerdings kommt dieser nicht von heute auf morgen, sondern in einer Zeitverzögerung von mehreren Monaten in denen dann Firmen die höheren Lohnkosten an ihre Kunden weitergeben.

Inflationsgebundene Anleihen wieder aussichtsreich?

Trotz einer Kontraktion der Industrie im Euroraum und eines Nullwachstums des BIP im dritten Quartal 2023 herrschen also nach wie vor erhöhte Inflationsgefahren, gegen die sich Anleger mit inflationsgeschützten Polizzen oder inflationsgeschützten Staatsanleihen (via einschlägige Fonds) absichern können. Letztere können auch die Basis der Inflationsschutz-Strategie innerhalb eines Lebensversicherungsmantels sein und Inflationsausgleich gewähren. Derzeit herrschen im Markt bereits relativ attraktive Renditen vor. Hinzukommen derzeit eher moderatere Inflationserwartungen für den Euroraum. Steigen die Inflationsraten jedoch stärker an als die ursprünglich vom Markt eingepreisten, dann sind Inflationsschutzbonds die bessere Alternative zu herkömmlichen (Staats)Anleihen. Jedenfalls sind Inflationsgebundene Anleihen derzeit durchaus ein Anlagethema.

 

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