Es gibt leichte Hoffnung: Der Start in das Jahr 2024 war vergleichsweise zu den beiden Vorjahren besser, die Weltwirtschaft scheint sich langsam zu erholen. Die aktuelle Länder- und Branchenanalyse der Coface zeigt, dass sich die US-Dynamik merklich verlangsamt und das globale Wachstum von den Schwellenländern getrieben wird. Globale wirtschaftliche, soziale und politische Risiken bleiben jedoch bestehen. Coface schätzt das globale Wachstum im Jahr 2024 auf 2,5 Prozent, mit einer erwartenden Stabilisierung bei 2,7 Prozent für das Jahr 2025. Trotz der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den USA stabilisieren sich die Arbeitsmarktzahlen allmählich auf einem Vor-Pandemie-Niveau, was ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und – nachfrage bedeutet. China hat zwar mit dem Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2024 die Erwartungen dank des verarbeitenden Gewerbes übertroffen, es herrscht jedoch rege Sorge vor Überkapazitäten in der Produktion. Die Nachfrage innerhalb Chinas hält sich aktuell sehr gering, die Hersteller müssen deshalb auf ausländische Märkte ausweichen.
„Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, unter anderem in Europa, herrscht in China aktuell Deflation. Dies hat Auswirkungen auf Konsum und Investitionen, die zeitlich nach hinten geschoben werden, wenn es noch günstiger ist, und belastet damit auch die Einkommen von Unternehmen und Haushalten“, sagt Christiane von Berg, Head of Economic Research BeNeLux & DACH bei Coface.
In Europa selbst gab es im ersten Quartal 2024 einen BIP-Anstieg von 0,3 Prozent und eine Belebung der Wirtschaftstätigkeit, was vor allem dem Dienstleistungssektor zu verdanken war. Die Schwächephase des zweiten Halbjahres 2023 scheint somit überwunden zu sein.
„Die Auflösung der französischen Nationalversammlung und die damit verbundenen Neuwahlen haben Einfluss auf die Zukunft Europas. Erfreuliches gibt es von der iberischen Halbinsel: Portugal und Spanien wurden in den jüngsten Analysen von unseren Experten aufgewertet“, weiß Dagmar Koch, Country Managerin Coface Österreich. Portugal verzeichnete im ersten Quartal 2024 ein Wachstum von 0,7 Prozent, der Tourismus bleibt weiterhin stabil. Private Investitionen verlangsamen sich, der private Konsum nimmt Dank des steigenden Einkommens jedoch zu. Ähnliche Argumente gelten auch für Spanien. Davon abgesehen machen sich in Spanien wie auch in Portugal die Stützungsmaßnahmen innerhalb des europäischen Aufbauplans „Next Generation EU“ (NGEU) bemerkbar. Die NGEU-Mittel für Spanien entsprechen 2 Prozent des BIP in den Jahren 2024 bis 2026. Im Falle Portugals liegt der Umfang bei fünf Prozent des BIP im selben Zeitraum.
Österreich: Downgrade für Baubranche
Die Baubranche bleibt weiterhin, wie auch in Frankreich, Deutschland, Italien und dem Vereinigten Königreich das „Sorgenkind“ der Wirtschaft. Generell erreichte Österreich eine A3 Bewertung von Coface. Koch bemerkt, dass es positive Entwicklungen in Österreichs Wirtschaft zu verzeichnen gibt, was vor allem dem hohen Lohnwachstum bei geringer Inflationsrate zu verdanken ist. Viele Unternehmen sehen sich allerdings mit hohen Kosten konfrontiert, die ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene einschränken.
Mühsame Inflationsentwicklung
Wie in den USA deutlich zu erkennen, ist der letzte Schritt gegen die Inflation der schwerste – vor allem die anhaltend hohen Preise für Dienstleistungen und Mieten machen schwer zu schaffen. Zu sehen ist dies an der Inflation des privaten Konsums (PCE-Index*1), die mit 2,7 Prozent weiterhin über dem 2-Prozent-Ziel der US-Notenbank liegt. Europa verzeichnete im Mai einen Anstieg der Inflation auf 2,6 Prozent, nachdem sie zuvor auf 2,4 Prozent zurückgegangen war. Der Anstieg der Löhne fördert hierbei zwar die Kaufkraft, der Abbau der Inflation wird jedoch zeitgleich damit verlangsamt. Um die Inflation zügig auf zwei Prozent zu senken, müsste eine Verschlechterung des Arbeitsmarktes oder der Unternehmensmargen in Kauf genommen werden, was jedoch wieder vermehrte Insolvenzen nach sich ziehen würde, erklärt Christiane von Berg.
Schwellenländer auf Beschleunigungskurs – wäre da nicht die Fed
Die vorsichtige Haltung der Fed wird widergespiegelt in den aktuell ein bis zwei Zinssenkungen, die die Finanzmärkte für dieses Jahr eingepreist haben. Laut jüngsten Prognosen der US-Geldpolitiker ist mit einer ersten Zinssenkung erst gegen Ende des Sommers oder gar bis zum Jahresende zu rechnen, die Europäische Zentralbank hat ihre geldpolitische Lockerung mit einer ersten Senkung um 25 Basispunkte Anfang Juni eingeleitet. Da der Zeitplan der Fed im Vergleich zur EZB allerdings verzögert ist, müssen auch die Schwellenländer ihren Zinssenkungszyklus verlangsamen oder verschieben. Wird in den Schwellenländern früher oder stärker gesenkt als von der Fed, würde dies ihre Währung gegenüber dem US-Dollar abwerten und Importe teurer machen, was wiederum zum Anstieg der Inflation führen würde.
Auch Afrika und Asien werden durch den Aufschub der Fed beeinflusst. Der wirtschaftliche Aufschwung für 2024 und 2025 wurde hier vor allem durch die Zentralbanken der wichtigsten Schwellenländer gebremst, da diese noch nicht mit den geldpolitischen Lockerungen begonnen haben. „Trotz dieser Verzögerungen werden viele Regionen eine positive Dynamik aufweisen. Einige südostasiatische Länder wie Vietnam oder die Philippinen werden Wachstumsraten von mehr als 6 Prozent erreichen. Indien dürfte trotz einer leichten Abschwächung ein Wachstum von 6,1 Prozent verzeichnen“, sagt Christiane von Berg.