Jährlich veröffentlicht Aon den Austria Market Insights Report. Wir haben mit Marcel Armon Executive Chairman Austria und Michael Sturmlechner, Managing Director Multinational Clients über die Ergebnisse und ihre Meinung zu Prävention und neue Risikobewertungen gesprochen.
Marcel Armon: In den letzten Jahren gab es erhebliche Veränderungen. Früher galt die Betriebsunterbrechung als größtes Risiko. Heute dominieren Themen wie Inflation, Rohstoffknappheit, Lieferkettenprobleme und Cyberrisiken. Auffällig ist, dass nur noch zwei dieser fünf Risiken überhaupt konventionell versicherbar sind. Ein weiteres zentrales Thema ist der Fachkräftemangel. Unternehmen fragen sich zunehmend: Wie finden und halten wir die richtigen Talente? Bei Netzwerktreffen wie in Alpbach oder Schladming ist dies eines der Hauptanliegen.
Wenn die Top Risiken nicht mehr versicherbar sind, wird es eigene Versicherungslösungen geben müssen, oder?
Michael Sturmlechner: Es ist deutlich zu spüren, dass sich die Prioritäten der Unternehmen stark verändert haben. Früher standen klassische Risiken wie Feuer, Naturkatastrophen oder Cyberangriffe im Fokus. Heute dominieren jedoch Themen wie Preissteigerungen, Inflation und Rohstoffknappheit die Agenda der Geschäftsführungen und überlagern die traditionellen Versicherungsrisiken. Viele Geschäftsführer betonen: „Wir haben derzeit größere Sorgen als klassische Versicherungsfragen.“
Natürlich reagieren wir auf diese Entwicklungen. Insbesondere der wachsende Wettbewerb um Talente stellt Unternehmen vor die Herausforderung, Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze. Auch bei nicht-traditionellen Versicherungsthemen, wie Reputationsschäden, entwickeln wir neue Modelle. Im Bereich Cybersicherheit haben wir durch den Erwerb eines eigenen Cyber-Sicherheitsunternehmens einen Vorteil geschaffen. So können wir unseren Kunden nicht nur die Beratung in der klassischen Risikoabwälzung auf einen Versicherer anbieten, sondern sie auch umfassend in technischen Fragen zur Cybersicherheit beraten und Assistenz im Cyber Incident leisten
Ein weiteres zentrales Thema ist der Klimawandel und der Schutz vor Naturkatastrophen. Dafür haben wir ein spezialisiertes Team, das Unternehmen mit gezielten Studien unterstützt. Dabei geht es nicht nur um allgemeine Klimaauswirkungen, sondern um konkrete Fragestellungen: Unternehmen mit mehreren Produktionsstätten wollen wissen, wie sich klimatische Veränderungen an den jeweiligen Standorten auswirken und welche Folgen dies für ihre gesamte Produktionskette hat. Unser Ziel ist es, mit verstärktem Risikomanagement passende Antworten zu finden.
Marcel Armon: Wir verstehen uns heute als holistischer und umfassender Risikoberater und viel weniger als klassischer Versicherungsmakler. Viele der Risiken, mit denen unsere Kunden konfrontiert sind, sind schlichtweg nicht mehr versicherbar. Deshalb setzen wir zunehmend auf eigenständige Risk-Management-Instrumente. Ein zentrales Thema, das wir mit unseren Kunden besprechen, ist die Finanzierung eigener Risiken, beispielsweise durch Captive-Lösungen.
Viele Unternehmen verfügen nicht über ausreichende Business-Continuity-Pläne, um auf unerwartete Risiken zu reagieren. Deshalb unterstützen wir sie nicht nur bei der Suche nach geeigneten Versicherern, sondern legen großen Wert auf präventive Maßnahmen. Gerade bei schwer oder gar nicht versicherbaren Risiken ist proaktives Handeln entscheidend. Ein konkretes Beispiel ist das Thema Lieferketten: Wir analysieren potenzielle Engpässe und helfen dabei, alternative Lieferanten oder Rohstoffe zu finden, wenn ein Partner ausfällt.
Das geht weit über den klassischen Versicherungsgedanken hinaus. Es ist umfassendes Risikomanagement, das in vielen Unternehmen oft fehlt. Unsere Aufgabe ist es daher, nicht nur Versicherungen zu vermitteln, sondern die Unternehmen in ihrer gesamten Risikostrategie zu unterstützen.
Und wie sensibilisiert man Unternehmen sich mehr mit Ihrer Risikostrategie auseinanderzusetzen?
Marcel Armon: Ursprünglich kommen wir aus der Großindustrie und betreuen vor allem österreichische ATX-Unternehmen sowie Großkonzerne. Doch mittlerweile ist ein wichtiger Eckpfeiler ebenfalls der österreichische Mittelstand: Versicherer sind zunehmend nur bereit, österreichische Mittelstandsunternehmen zu versichern, wenn diese aktiv ihre Risiken managen.
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