Hermann Stöckl ©Rafaela Proell
in

Dummstellen funktioniert vor Gericht immer

Gastkommentar von Hermann Stöckl, Geschäftsführer der VPI Vermögensberatung GmbH

Juristendeutsch, das keiner versteht, und Bürokratiewahnsinn gepaart mit Desinteresse auf Seiten der Kunden sind die größten Feinde im Beratungsalltag. Erfolgreiche Beratung braucht heute nur eines: Kurze, klare und praxisorientierte Informationen. Nicht mehr und nicht weniger.

„EU-Kommission kündigt Bürokratieabbau an“ lautete eine der wichtigsten Schlagzeilen der letzten Tage. Die EU-Kommission wolle Europa wettbewerbsfähiger machen, hieß es dazu weiter. Zahlreiche Gesetze und Vorschriften sollen aufgeweicht und abgebaut werden, um Unternehmen zu entlasten. Aus eigener Erfahrung kann ich dazu nur sagen: Das ist ein dringend notwendiger Schritt, denn die Bürokratie hat in den vergangenen Jahren gewuchert wie selten zuvor – auch, und gerade am Finanzmarkt. Dabei haben die zusätzlichen Gesetze keinesfalls dazu geführt, dass der Finanzmarkt sicherer geworden wäre. Ganz im Gegenteil: Statt zu mehr Sicherheit haben sie zu Unsicherheit und Verwirrung geführt.

Rechtliche Hinweise sind für Kunden vielfach absolut unverständlich

Die praktische Erfahrung aus dem Beratungsalltag hat mich bereits vor vielen Jahren für das Thema „Überinformation“ sensibilisiert. Daher achte ich sehr genau darauf, wie meine Kund:innen mit der kaum überschaubaren Flut an Unterlagen, die sie etwa beim Abschluss einer Lebensversicherung oder beim Kauf von Wertpapieren erhalten, umgehen. Und ja, ich habe erhebliche Zweifel daran, dass die juristischen Wort- und Satz-Ungetüme, die in Geschäftsbedingungen, rechtlichen Hinweisen, Antragsunterlagen und Co zu finden sind, auch nur irgendeinen sinnstiftenden Beitrag zu einem besseren Verständnis leisten. Entweder, weil sie von den Kund:innen erst gar nicht gelesen werden, oder weil sie für Laien absolut unverständlich sind.

Eine Umfrage bei unseren Kunden bestätigt diesen Eindruck. Das Feedback lautet auf den Punkt gebracht: Praxisfremd, verwirrend und nicht umweltfreundlich.

Ein zentraler Kritikpunkt ist die schiere Menge an Papierkram, die nicht nur zeitaufwendig, sondern auch unnötig und abschreckend wirkt. Nun sind Lebensversicherungen und Wertpapiere – wie wir alle wissen – komplexe Produkte, die rechtliche, finanzielle und – im Fall der Lebensversicherung – mitunter auch medizinische Aspekte vereinen. Aber ist es notwendig, dafür 80 und mehr A4-Seiten in kompliziertestem Juristendeutsch zu produzieren? Sollten wir uns nicht besser auf das Wesentliche konzentrieren?

Und wer jetzt nicht weiß, wovon ich spreche – hier einige Beispiele zur Veranschaulichung, womit wir in unserem Beratungsalltag zu kämpfen haben:

  • Ein simpler Depot- und Kontoeröffnungsantrag für Privatkunden umfasst heute rund 50 A4-Seiten.
  • Die rechtlichen Hinweise in Rahmen eines Investments umfassen zusätzlich rund 9 A4-Seiten. Darin sind Formulierungen enthalten, die für viele Kund:innen erst bei mehrmaligem Lesen erfassbar sind.
  • Weitere 11 A4-Seiten umfassen Kundenprofil und Beratungsprotokoll
  • Ein Passus zum Thema Zuzahlungen im Rahmen einer Lebensversicherung lautet etwa: „Sie haben die Möglichkeit, jederzeit Zuzahlungen bis zur Höhe der bei Vertragsabschluss vereinbarten Prämiensumme zu tätigen. Bitte beachten Sie: Nach Vertragsabschluss vereinbarte Prämienerhöhungen reduzieren die Zuzahlungsmöglichkeit um die Prämiensumme der Erhöhungen. Die für einzelne Zuzahlungen geltende Mindesthöhe … erfahren Sie bei unserer Serviceline.“
    Der Informationsgehalt dieser Ausführung ist gleich Null.

Der Prozess, alle notwendigen Formulare auszufüllen, Gesundheitsnachweise einzureichen und Rückfragen zu klären, ist damit extrem zeitintensiv. Außerdem erhöht die Fülle an Dokumenten das Risiko, dass Fehler bei der Dateneingabe oder Unterschriften passieren, was den Abschlussprozess verzögern kann. Und noch eine weitere Gefahr besteht: Ein überladener Informationsprozess kann auch dazu führen, dass die wirklich wichtigen Informationen übersehen werden oder Kunden maßlos überfordert sind und das Interesse verlieren.  Muss unser Fokus daher nicht viel eher auf Relevanz und Klarheit liegen? Und sollten eine moderne Lebensversicherung oder ein Wertpapierkauf nicht einen Abschlussprozess bieten, der Vertrauen und Einfachheit vermittelt?

Information auf das absolut Notwendige reduzieren

Meiner Meinung nach lässt sich die Menge an Information, die etwa beim Abschluss von Finanzprodukten wirklich benötigt wird, auf vier Hauptkategorien reduzieren. Diese Informationen müssen klar und verständlich kommuniziert werden, ohne mit unnötigen Details zu überfordern.

Ein Kunde benötigt nur so viel Information, wie notwendig ist, um:

  • den Zweck seiner Investition und deren Nutzen zu verstehen,
  • die Risiken des Kapitalmarkts zu veranschaulichen,
  • sich über Rechte und Pflichten im Klaren zu sein,
  • eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Das bedeutet, dass viele der detaillierten juristischen Formulierungen, vom Gesetzgeber zwingend vorgegeben, für die Mehrheit der Kunden überflüssig sind. Sie dienen einzig und allein der (notwendigen) rechtlichen Absicherung der Anbieter.

Hermann Stöckl ist Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der VPI-Gruppe und seit über 40 Jahren in der Finanzberatung tätig. VPI ist ein seit 1999 von der FMA konzessioniertes Wertpapierdienstleistungsunternehmen und auf die Unternehmens- und Vermögensberatung spezialisiert. Er ist Gründungsmitglied der AFPA, wo er im Vorstand für den Bereich Wertpapierdienstleistungen zuständig ist.

Stärkung der Vorsorge

Vertrieb im Zentrum