Obwohl das österreichische Gesundheitssystem zu den besten weltweit zählt, zeigt das aktuelle Allianz Gesundheitsbarometer einige Schwächen auf. Frauen sind mit der medizinischen Versorgung deutlich unzufriedener als Männer, vor allem wegen unsensiblem Verhalten und der Verharmlosung ihrer Beschwerden. Über die Hälfte der Bevölkerung ist stark besorgt über den Gender Health Gap – die Ungleichbehandlung in Forschung, Diagnostik und Therapie.
„Das Allianz Gesundheitsbarometer macht deutlich: Frauen in Österreich erleben tagtäglich, dass ihre Beschwerden nicht ausreichend ernst genommen werden oder geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Versorgung zu wenig berücksichtigt werden“, betont Jovana Nović, COO der Allianz Österreich. „Wenn Frauen nicht ernst genommen und dadurch Risiken übersehen werden, ist das nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Mit unserer Studie möchten wir hier Aufmerksamkeit und Bewusstsein schaffen.“
Der Begriff Gender Health Gap ist für über 75 Prozent der Österreicher unbekannt, nur Frauen (28 %) und Jüngere (bis zu 34 %) kennen ihn besser. Viele sind überrascht über geschlechtsspezifische Unterschiede, etwa bei der verzögerten Schmerzmittelvergabe (64 %) oder der männlich dominierten Forschung (58 %). 48 Prozent der Bevölkerung, vor allem Frauen (57 %) und Junge, sind darüber stark beunruhigt.
„Medizinische Studien waren lange Zeit vor allem auf männliche Probanden ausgerichtet und sie wurden als Maßstab für die Behandlung aller herangezogen. Vielen ist nicht bewusst, dass diese Einseitigkeit bis heute nachwirkt. Dabei unterscheiden sich Männer und Frauen in Symptomen, Krankheitsverläufen und Therapieansprechen – und das wird in der medizinischen Praxis noch immer zu wenig berücksichtigt“, erklärt Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gendermedizin an der MedUni Wien. „Die Folge sind Fehldiagnosen, unzureichende Therapien und ein struktureller Gender Health Gap. Gendermedizin ist deshalb kein Spezialthema, sondern Voraussetzung für eine gerechtere und bessere Versorgung aller Menschen.“
Trotz Kritik bewerten 60 Prozent ihren Gesundheitszustand als gut bis sehr gut, und das Vertrauen in Ärzte sowie die Forschung ist hoch. Die Qualität der Versorgung wird von 68 Prozent positiv gesehen, mit Unterschieden: Männer und Jüngere sind zufriedener als Frauen und Ältere. Besonders gut schneiden Ärzte bei fachlicher Kompetenz ab, während die soziale Kompetenz (Empathie) mit 54 Prozent schwächer bewertet wird – Frauen sind hier kritischer als Männer.
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