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Klimakrise am Acker

risControl 07/2025 ÖHV

Dr. Kurt Weinberger, CEO der Österreichischen Hagelversicherung, warnt vor den Folgen der Klimakrise für die Landwirtschaft. Er fordert eine nachhaltige Boden- und Klimapolitik und sieht im Klimaschutz eine Chance für Ernährungssicherheit und bäuerliche Zukunft. Wir haben mit ihm über das Thema gesprochen:

 Die Österreichische Hagelversicherung verzeichnete 2024 Schäden in Höhe von 260 Millionen Euro durch Wetterextreme wie Dürre, Frost, Hagel, Sturm und Überschwemmungen. Wie beurteilen Sie die Entwicklung dieser Schäden in den letzten Jahren, und welche Rolle spielt der Klimawandel dabei?

Die Schadensbilanz in der Landwirtschaft entwickelt sich rasant und alarmierend: Während Naturkatastrophen vor rund 20 Jahren noch jährlich Schäden von etwa 50 Millionen Euro verursachten, beliefen sich diese 2024 bereits auf 260 Millionen Euro – mehr als das Fünffache. Diese drastische Zunahme ist eine direkte Folge der menschengemachten Klimakrise. Besonders gravierend ist, dass extreme Wetterereignisse nicht nur häufiger auftreten, sondern auch an Intensität zunehmen. Ein deutliches Beispiel sind Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius: In den 1980er Jahren zählte man in Wien im Schnitt 13 solcher Tage pro Jahr – 2024 waren es bereits 52, ein trauriger Rekord. Ohne ambitionierten Klimaschutz drohen bis zum Jahr 2100 sogar bis zu 80 Hitzetage jährlich. Die Landwirtschaft, deren Erträge zu 80 Prozent vom Wetter abhängen, steht damit vor einer beispiellosen Herausforderung: Sie muss unterzunehmend unberechenbaren Bedingungen bestehen. Das ist keine ferne Zukunftsvision, sondern die neue Realität. Wenn wir jetzt nicht handeln, setzen wir die Lebensgrundlage unserer bäuerlichen Betriebe und die Ernährungssicherheit kommender Generationen aufs Spiel.

Sie betonen, dass „Klimaschutz keine Gefahr, sondern eine Chance“ ist. Wie konkret unterstützt die Österreichische Hagelversicherung Landwirte dabei, diese Chance zu nutzen, beispielsweise durch Risikomanagement-Tools oder Informationsangebote?

Als Chef einer Naturkatastrophenversicherung, der mit einer Zunahme von Naturkatastrophen – wie zum Beispiel Dürre und Überschwemmung – durch den Klimawandel und die Verbauung konfrontiert ist, wünsche ich mir eine Fortsetzung einer ökologischen Wirtschaftspolitik. Ansonsten begehen wir einen ökologischen Suizid! In der Österreichischen Hagelversicherung ist Nachhaltigkeit tief in der DNA verankert. Wir informieren über Klima- und Bodenschutz, denn die Folgen des Klimawandels treffen nicht nur uns – sie betreffen vor allem unsere Kunden. Daher bieten wir heute als agrarischer Spezialversicherer die umfassendste Produktpalette und modernste Schadenserhebung Europas an. Und das in Österreich und sechs osteuropäischen Märkten. Faktum ist: Eine echte Klima- und Umweltpolitik ist keine Option – sie ist eine Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen. Das muss die Politik machen. Als CEOs müssen wir bei den täglichen Entscheidungen nicht nur der Ökonomie eine Stimme geben, sondern auch der Ökologie – denn wir brauchen beides! Daher sollte der Wohlstand einer Gesellschaft nicht nur an der Kennzahl Bruttoinlandsprodukt bemessen werden, sondern auch am Naturkapital. Von Beton können wir jedenfalls nicht abbeißen! Wachstum zu Lasten des Planeten führt zu mehr Schaden als Nutzen und verringert unter dem Strich den Wohlstand.

Die fortschreitende Bodenversiegelung gefährdet die heimische Lebensmittelproduktion. Sie haben bereits einige Maßnahmen ergriffen, um dem entgegenzuwirken, sehen Sie eine Veränderung und wie könnte man politische Maßnahmen aktivieren?

Österreich hat in den letzten 25 Jahren rund 130.000 Hektar Äcker und Wiesen durch Verbauung unwiederbringlich zerstört – eine Fläche, die der gesamten Ackerfläche des Burgenlands entspricht. Sollte dieser Trend im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre anhalten, wird es in 200 Jahren keine Äcker und Wiesen mehr für die Lebensmittelproduktion in Österreich geben. Dabei eignen sich nur 16 Prozent der Fläche Österreichs überhaupt zur Lebensmittelproduktion, das sind um 50 Prozent weniger als in Deutschland. Uns muss aber bewusst sein: Jede geopolitische Krise und jede Störung der Lieferketten, wie die Blockade des Suez-Kanals gezeigt hat, bedroht unmittelbar unsere Ernährungssicherheit. Österreich muss daher auch Agrarland bleiben und nicht nur ein Land der Industrie und des Handels! Wir brauchen einen starken und stabilen Agrarsektor. Nur wenn wir genügend produktive landwirtschaftliche Flächen haben, können wir auch in Zukunft eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten. Und das ist für ein kleines Land wie Österreich auch eine sicherheitspolitische Frage. Frieden ist nur mit einer ausreichenden Lebensmittelversorgung zu halten, gefährdet allerdings durch den Bodenverbrauch und den Klimawandel. Laut AGES-Studie wird 2050 der Selbstversorgungsgrad in Österreich beim Brotgetreide nur mehr 50 Prozent und bei Kartoffeln 30 Prozent betragen. Es ist daher höchste Zeit, diese hausgemachten Verfehlungen in der österreichischen Bodenpolitik zu korrigieren. Nur so kann Österreich langfristig seine Ernährungssicherheit gewährleisten und ein „Land der Äcker, zukunftsreich“ bleiben.

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