Am 24. Juli 2025 beschloss der EZB-Rat, nach acht Zinssenkungen erstmals eine Pause einzulegen und alle drei Leitzinsen unverändert zu belassen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde begründete diese Entscheidung mit der aktuellen Stabilisierung der Inflationsrate auf das mittelfristige Ziel von zwei Prozent. Sie betonte, dass die meisten Messgrößen für die längerfristigen Inflationserwartungen weiterhin bei rund 2 Prozent liegen. Die Binneninflation sinkt und das Wachstum der Arbeitnehmerentgelte hat sich im ersten Quartal 2025 bereits auf 3,8 Prozent verlangsamt (nach 4,1 % im Vorquartal). Lagarde zeigte sich überzeugt, dass der Preisauftrieb mittelfristig unter Kontrolle bleibt.
Risiken durch geopolitische und handelspolitische Unsicherheiten
Lagarde verwies aber auch auf erhebliche Unsicherheiten, insbesondere durch den ungelösten Zollkonflikt zwischen den USA und der EU. Die künftige US-Handelspolitik – insbesondere unter Präsident Donald Trump – bleibe unberechenbar. Sollte Washington die Zölle auf EU-Waren auf 15 Prozent einfrieren, könnte dies die europäische Konjunktur stützen, aber zugleich wieder mehr Inflationsdruck verursachen. Umgekehrt würde ein Anstieg der Zölle oder eine Eskalation des Handelskonflikts die Wirtschaft in der Eurozone dämpfen und die Inflation weiter senken. Vor diesem Hintergrund betonte Lagarde, dass der EZB-Rat künftig bei jeder Sitzung neu entscheidet, abhängig von der aktuellen Datenlage.
Konjunktur, Finanzierungsbedingungen und Liquiditätssituation
Die jüngsten EZB-Umfragen zeigen eine moderate Expansion in Industrie und Dienstleistungen. Lockerere Finanzierungsbedingungen, unter anderem durch niedrigere Geldmarktzinsen, unterstützen die Binnennachfrage und den Immobilienmarkt. Auch zusätzliche Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur werden das Wachstum künftig stützen. Gleichzeitig sorgen ein stärkerer Euro, höhere Zölle und anhaltende geopolitische Unsicherheiten weiterhin für Zurückhaltung bei Unternehmensinvestitionen. Die Risiken für das Wirtschaftswachstum bleiben laut Lagarde überwiegend nach unten gerichtet. Die Zinskurve ist zuletzt steiler geworden: Während Geldmarktzinsen weiter gefallen sind, sind die langfristigen Kapitalmarktzinsen wieder angestiegen.
Mit Blick auf die Liquidität im Bankensystem unterstrich Lagarde dass nach wie vor „reichlich Liquidität“ vorhanden sei. Zwar sei das Liquiditätsvolumen durch die Rückführung der TLTRO-Kredite und das Auslaufen der Anleihekaufprogramme (APP und PEPP) verringert worden, dennoch liege das Gesamtvolumen im System weiterhin bei über 2 Billionen Euro. Zusätzliche Faktoren wie geringere Nachfrage nach Banknoten und die Umschichtung staatlicher Reserven (Regierungen zogen ihre Reserven bei der EZB ab, um sie anderweitig besser zu nutzen) trugen zu diesem Überhang bei.
Ausblick: Weitere Zinsschritte datenabhängig – Schnabel sieht Ende des Zyklus
Der weitere geldpolitische Kurs bleibt laut Lagarde datenabhängig. Die EZB werde die Entwicklung der Inflation, die Wirtschaftsdaten und die Wirkung der bisherigen Zinsschritte weiterhin sorgfältig beobachten und jeweils von Sitzung zu Sitzung neu bewerten.
EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel gab bereits vor rund einem Monat eine konkretere Orientierungshilfe: „Dieser geldpolitische Zyklus neigt sich dem Ende zu, da sich die mittelfristige Inflation um das Ziel herum stabilisiert.“ Sie rechnet mit weitgehend stabilen Wachstumsaussichten und sieht die aktuellen Finanzierungsbedingungen nicht mehr als restriktiv an.
Fazit: Die EZB bleibt abwartend und flexibel. Eine nachhaltige Rückkehr der Inflation auf das 2 Prozent-Ziel gilt als erreicht, doch geopolitische Risiken und unsichere Handelspolitik könnten jederzeit alternatives Handeln erzwingen. Bis zur nächsten Sitzung im September werden daher alle Optionen offengehalten. Laut Meinung des Autors (Kordovsky) erscheint bis März 2026 maximal noch eine Leitzinssenkung plausibel ehe die Zinssenkungsphase endgültig vorbei ist.