Im Rahmen des Expertentreffens der Versicherungsmakler in Rust präsentierte Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner (WU Wien) die europarechtlichen und nationalen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Retail Investment Strategy (RIS). Sein Vortrag zeigte klar: Die RIS ist weit mehr als eine Detailregelung, sie hat das Potenzial, das österreichische Vermittlerrecht grundlegend zu verändern. Für Versicherungsmakler bedeutet das eine mögliche Neudefinition ihres Rollenbildes zwischen gebundener, ungebundener und unabhängiger Beratung.
Europarechtliche Ausgangslage
Ziel der RIS ist der umfassende Kleinanlegerschutz. Sie soll optimale Entscheidungsgrundlagen schaffen und die Beratungsqualität nachhaltig sicherstellen. Für Makler klingt das zunächst wie eine Chance, tatsächlich aber bedeutet es auch eine deutliche Ausweitung der Pflichten. Perner betonte in diesem Zusammenhang ausdrücklich: „Es geht jetzt nicht um das ebenfalls viel diskutierte Value-for-Money-Thema.“ Vielmehr müsse man bei den Beratungsstandards und Vergütungsstrukturen den Blick auf die nationale Ebene richten und dort proaktiv agieren.
Beratungsstandard und Vergütung
Perner verwies auf die Unterschiede zum europäischen Recht. Während § 28 Maklergesetz in Österreich den „bestmöglichen Versicherungsschutz“ verlangt – also eine sehr strenge Vorgabe („best advice“) –, fordern das deutsche VVG und Art. 30 RIS nur eine „hinreichende Zahl von Produkten“. Mit Blick auf einen immer größeren und ausdifferenzierten Markt wird man überlegen müssen, welche Marktabdeckung man sich erwarten darf.
Ein Kernthema war die Honorierung. Grundsätzlich bleibt die provisionsbasierte Beratung zulässig. Eine Ausnahme sieht der RIS-Entwurf allerdings für unabhängige Beratung vor: Wer sich ausdrücklich als unabhängig bezeichnet, soll keine Provisionen oder sonstige Vorteile von Dritten annehmen dürfen. Perner stellte klar, dass „ungebunden“ in der RIS nicht mit „unabhängig“ gleichzusetzen sei – hier handle es sich um einen Übersetzungsfehler mit weitreichenden Folgen für das Selbstbild der österreichischen Maklerschaft.
Zukunft des Vermittlerrechts
Nach den derzeitigen Plänen für die RIS könnten künftig drei Kategorien unterschieden werden:
- gebundene Agenten,
- Makler mit ungebundener Beratung,
- unabhängige Makler auf Honorarbasis.
„Echte Mehrfachagenten“ sollte es in diesem System wohl nicht mehr geben, so Perner. Mischformen wie „gebundene Agenten mit vielen Agenturen“ oder „ungebundene Makler mit Rahmenprovision“ könnten zu Verwirrung und Überforderung am Markt führen.
Fallstricke und Standespolitik
Die größte Herausforderung liegt in der Abgrenzung zwischen ungebunden und unabhängig. Während die RIS für unabhängige Beratung klare Vorgaben macht, bleibt die österreichische Praxis stark durch Provisionsmodelle geprägt. Perner stellte in diesem Zusammenhang die Überlegung an, ob der unabhängige Makler den „Berater in Versicherungsangelegenheiten“ ergänzen oder ersetzen könnte. Diese Diskussion betrifft die Grundidentität des Berufsstandes. Die RIS wird also auch hier den Anstoß für zentrale Weichenstellungen für die Zukunft geben.