Zollkonflikte und geopolitische Krisensituationen prägen den Alltag. Die Börsen reagieren zwar weitgehend gelassen. Doch rechtfertigen aktuelle Unsicherheiten, die auch Einfluss auf Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne nehmen können, nicht einen allmählichen Bewertungsabbau? Daher lohnt sich ein Blick auf das aktuelle Bewertungsniveau.
Nimmt man lediglich einen aktuellen Analystenschätzungskonsens für die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 (Quelle: FactSet), so liegt deren Forward-KGV per 5. September bei 22,1 und somit weit über den 10-Jahres-Schnitt von 18,5. Im Vergleich dazu liegt das 12-Monats-Trailing-KGV (Basis Gewinne der vergangenen vier Quartale) bei 27,9 (10-Jahres-Schnitt bei 22,6). Trotz eines für 2026 erwarteten Gewinnwachstums von fast 14 % im S&P 500 ist dies bereits eine ambitionierte Bewertung getragen von einem boomenden IT-Bereich.
Wie sieht dann die Situation in Europa aus? Den Vergleich liefert ein Factsheet des aus 402 Werten bestehenden MSCI Europe Index (EUR), dessen KGV und Forward-KGV per 29. August lediglich bei je 16,3 bzw. 14,5 liegen verglichen mit je 22,8 bzw. 18,8 im globalen MSCI ACWI IMI. Die Dividendenrendite der Euro-Aktien liegt bei 3,1 % verglichen mit 1,8 % im MSCI ACWI IMI. In Europa herrscht ein relativ ausgewogener Branchenmix der sogenannten „Old Economy“. Finanz- und Industriewerte sind mit je 23,7 bzw. 19,2 % am stärksten gewichtet, gefolgt von 13,6 % im Gesundheitsbereich.
Ein längerer historischer Bewertungsvergleich
Das Shiller-KGV des S&P 500 Index gilt als verlässlicher Indikator zur Orientierung in puncto des Bewertungsniveaus im historischen Vergleich. Es basiert auf dem Durchschnitt der inflationsbereinigten Unternehmensgewinne der vergangenen zehn Jahre und ist auch als Cyclically Adjusted Price-Earnings Ratio (CAPE-Ratio) bekannt. Seit 1871 liegen die Durchschnitts- und Medianwerte bei 17,3 bzw. 16,1. Das historische Hoch vom Dezember 1999 erreichte 44,19. Anschließend setzte ab März 2000 ein Abwärtstrend im S&P 500 ein, der bis 2002 anhielt. In diesem Zeitraum hat der S&P 500 in etwa die Hälfte an Wert verloren. Das ist schon mal ein Zusammenhang, der nicht aus den Augen verloren werden sollte. Am 10. September 2025 liegt das Shiller-KGV bei 39,2, ein Niveau, das sogar über jenem vor der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre liegt und sich langsam dem historischen Hoch annähert. Das ist fundamental betrachtet ein erneutes Warnsignal.
Fazit: Eine längere Periode mit Bewertungsabbau durch gebremste Aktienperformance in den USA erscheint plausibel. Das Kapital könnte verstärkt in den günstiger bewerteten europäischen Aktienmarkt fließen. Vor allem die ESG-Community ist mit US-Präsident Donald Trump alles andere als glücklich und veranlagt zunehmend außerhalb der USA. Das könnte über einen längeren Zeitraum zu einer Outperformance Europas gegenüber dem US-Aktienmarkt führen.