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Europa diskutiert nur

von Mag. Christian Sec

Auf der FMA-Aufsichtskonferenz in Wien diskutierten Experten die Savings and Investment Union (SIU) – ein zentrales EU-Vorhaben, das darauf abzielt, private Ersparnisse gezielt in den Wirtschaftskreislauf zu lenken und die Wettbewerbsfähigkeit der Union zu stärken.

Jennifer Robertson, Leiterin der Abteilung Finanzinfrastruktur bei der EU-Kommission, unterstrich die Dringlichkeit der SIU mit Verweis auf den Draghi-Report: „Europa braucht zusätzlich 750 bis 800 Milliarden Euro an Investitionen – das können Banken allein nicht leisten.“ Ein zentrales Ziel sei daher, die Fragmentierung der Finanzmärkte abzubauen. Eine effizientere Marktinfrastruktur, insbesondere im Backoffice und Post-Trading, könne Investoren entlasten und Innovationen fördern. Die europäische Fragmentierung verteuere Investitionen, senke die Renditen und schwäche damit die Wettbewerbsfähigkeit innovativer europäischer Unternehmen im globalen Vergleich. Angelika Sommer-Hemetsberger, Vorständin der Österreichischen Kontrollbank, sieht die Ursachen der Investitionszurückhaltung tieferliegend. Die Probleme lägen weniger in der Marktinfrastruktur als in der Heterogenität der europäischen Rechtsrahmen. „Unterschiedliches Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht behindert grenzüberschreitende Investitionen. Man doktert am Symptom, aber nicht an der Ursache“, kritisierte sie. Entscheidend sei, mehr Emittenten und Investoren an die Märkte zu bringen – ohne diese Marktteilnahme würden Investitionen ausbleiben.

Langsames Europa im globalen Rennen

Aus Sicht von Oliver Holle, Geschäftsführer des Risikokapitalgebers Speedinvest, fehlt es Europa vor allem an Tempo in der Innovation: „Europa diskutiert nur.“ Wachstumstreibende Unternehmen seien auf eigenkapitalähnliche Finanzierungsformen angewiesen, doch tiefgreifende Kapitalpools wie in den USA, etwa von Pensionskassen oder Universitäten, fehlen. Besonders kritisch sei der Mangel an Exit-Möglichkeiten innerhalb Europas: Acht von zehn Speedinvest-Portfoliounternehmen mit IPO-Plänen streben derzeit einen Börsengang in den USA an – nur eines in Europa. Holle fordert klare Anreize für Investitionen in europäische Technologieunternehmen, um Kapital und Know-how im Binnenmarkt zu halten. Sommer-Hemetsberger betonte in diesem Zusammenhang, dass eine Lockerung der Veranlagungsbedingungen für Pensionsfonds ein Hebel sein könnte. Europa habe hier strukturelle Nachteile gegenüber den USA. Mehr institutionelle Investoren seien notwendig – aber auch private Anleger müssten über geeignete Vehikel wie Fondskonstrukte stärker eingebunden werden.

Zentraleuropäische Börse – Einheit oder Vielfalt?

Die Frage nach einer einheitlichen zentralen Börse wurde differenziert bewertet. Für Holle ist klar: Der europäische Kapitalmarkt braucht stärkere Anziehungskraft, um mit den USA mitzuhalten. Ein zentrales Börsensegment könnte helfen, attraktive Exit-Optionen im Binnenmarkt zu schaffen. Sommer-Hemetsberger warnte jedoch vor einer pauschalen Zentralisierung. Gerade kleine Volkswirtschaften wie Österreich benötigten Sichtbarkeit und individuelle Betreuung. Sie sprach sich für eine „Best-of-Both-Worlds“-Lösung aus: technologische und regulatorische Integration ja – aber ohne die Vielfalt nationaler Börsenstrukturen komplett aufzugeben. Auch FMA-Abteilungsleiter Robert Hellwagner forderte eine differenzierte Betrachtung: Die SIU müsse auch kleineren Märkten gerecht werden. Es gehe nicht primär um regulatorische Vereinfachung um ihrer selbst willen, sondern um effektive Lösungen. Oft entstünden komplexe Regelwerke durch Ausnahmen und nationale Sonderwege, die zu einem „Unlevel Playing Field“ führten.

EU plant Maßnahmenpaket

Robertson kündigte zum Abschluss an, dass die EU-Kommission bis Jahresende ein Maßnahmenpaket vorstellen wolle, um bestehende Hindernisse im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr abzubauen. Ziel sei es, die Fragmentierung der Finanzmarktinfrastruktur weiter zu reduzieren und damit einen wettbewerbsfähigen, integrativen europäischen Kapitalmarkt zu schaffen.

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