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Entwicklungen im Versicherungsrecht zwischen Praxis und Regulierung

Wiener Versicherungsrechtstag (GVfW)

Der Wiener Versicherungsrechtstag, veranstaltet vom Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der WU Wien in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Versicherungsfachwissen (GVfW), fand am 13. Oktober 2025 im Library Center der WU Wien statt. Die jährlich stattfindende Fachtagung bietet eine Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Heuer im Fokus: aktuelle europäische und nationale Entwicklungen, Judikaturtrends, Vertragsauslegung und Regulierungsdynamik. Eröffnet wurde die Tagung von Mag. Katharina Trampisch, Geschäftsführerin der GVfW.

Nationale Anpassungen im Vermittlerrecht

Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner (WU) und Univ.-Prof. Dr. Andreas Riedler (JKU Linz) analysierten unter dem Titel „Nationale Anpassungen im Vermittlerrecht?“ die Auswirkungen der Retail Investment Strategy (RIS) auf die österreichische Vermittlerlandschaft. Zentrales Raster ist das dreigliedrige Vermittlerbild: gebunden, ungebunden, unabhängig. Der Provisionsvertrieb bleibt grundsätzlich zulässig; die RIS verschärft jedoch Transparenz- und Informationspflichten, insbesondere bei als unabhängig deklarierter Beratung. Für ungebundene Vermittler bleibt der Provisionsbezug möglich, sofern Art und Umfang offengelegt werden. Riedler empfahl nationale Klarstellungen – ohne Systembruch, aber mit präziser Begriffswahl („ungebunden“ ≠ „unabhängig“) und klarer Trennung von Innenverhältnis (Maklervertrag) und Außenverhältnis (Kundenauftritt). Perner pointierte: Wer sich nicht als unabhängig präsentiert, hat kein Provisionsproblem.

Neues aus Europa

Mag. Susanne Hofer (VVO) skizzierte die europäische „Versicherungs-Großwetterlage“: SIU, RIS, Solvency II, IRRD – eingebettet in eine politisch fragmentierte EU, geopolitische Spannungen und hohe Regulierungsdichte. Leitmotiv der Kommission: vereinfachen, beschleunigen, wettbewerbsfähiger machen (u. a. „Stop the clock“, Omnibus-Pakete). Ergänzend verwies sie auf Maßnahmen zur Kapitalmarkt- und Investmentförderung, auf Financial Literacy sowie Pension-Tools (Dashboards/Tracking). Kritisch sah Hofer kostengetriebene Benchmarks („Value for Money“); gefordert sei eine ganzheitliche Kundennutzen-Bewertung, Verhältnismäßigkeit in der Aufsicht und eine kohärente nationale Umsetzung.

Aktuelle versicherungsrechtliche Judikatur des OGH

Hofrätin Mag. Daniela Fitz (OGH) präsentierte ausgewählte Entscheidungen zum Privatversicherungsrecht. Beim Schadenereignis gilt der äußere Vorgang als maßgeblich; ein Unfall bildet einen Versicherungsfall, auch bei mehreren Geschädigten. Die Serienschadenklausel greift bei zeitlich und kausal verbundenen Vorwürfen; ein Vergleich begründet keinen neuen Verstoß. In der Leitungswasserversicherung präzisierte der OGH die 72-Stunden-Regel als präventive Obliegenheit: Regelmäßige, ausreichende Kontrollen können Pflichtverletzungen entkräften. In der Feuerversicherung bleibt „Brand“ ein Feuer mit eigenständiger Ausbreitung; bei Hagel fehlt die unmittelbare Einwirkung, wenn erst Wasser-/Hagelmassen Folgeschäden verursachen; Erdrutsch setzt eine zumindest visuell wahrnehmbare Abwärtsbewegung voraus. Ein AVB-Ausschluss „Geschlechtsumwandlungen“ wurde unter Gleichbehandlungs- und Transparenzgesichtspunkten kritisch beleuchtet.

Die Serienschadenklausel in der Rechtsschutzversicherung

Em. o. Univ.-Prof. Dr. Attila Fenyves (Universität Wien) verortete die Serienschadenklausel historisch und systematisch und verglich ARB-Fassungen 1988/2007/2015. Praxisrelevant ist die Abgrenzung zwischen einheitlichem Lebensvorgang und mehreren unabhängigen Versicherungsfällen, insbesondere bei mehraktigen, kausal verknüpften Geschehensabläufen (z. B. Arbeitsrecht, Anlagefälle). Die Klausel begrenzt Risiken, verlangt aber sorgfältige Anwendung, um Deckungslücken zu vermeiden.

Regress in der Gebäudeversicherung

Univ.-Ass. Mag. Julian Spadinger (WU) beleuchtete den Regress nach § 67 VersVG: Sind Mieter „Dritte“ und wann ist Regress zulässig? Unter Bezug auf 7 Ob 99/23v zeichnete er die Entwicklung hin zu einem konkludenten Regressverzicht gegenüber leicht fahrlässig handelnden Mietern nach – eine Annäherung an die deutsche Linie. Im Co-Referat vertiefte Dr. Walter Kath (Zürich Versicherungs-AG) die teleologische Auslegung des § 67 VersVG, insbesondere zur Abgrenzung von versichertem Interesse und Regressbeschränkung (Stichwort Sachersatzinteresse), und plädierte für eine differenzierte Verzahnung von Vertrags- und Haftungsrecht.

 

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