Der europäische Versicherungsmarkt befindet sich in einem Prozess der Konsolidierung, doch diese Entwicklung vollzieht sich moderat und ungleichmäßig in den einzelnen Märkten. Über die vergangenen fünf Jahre, von 2019 bis 2024, ist die Gesamtzahl der europäischen Versicherungsunternehmen um 7,4 Prozent gesunken, wobei dieser Rückgang insbesondere im Life-Segment mit über 10 Prozent am stärksten ausgeprägt ist.
Das zentrale Statement der Studie: Während der Markt unter Druck steht, floriert die Spitze der Branche. Den 25 größten europäischen Versicherern geht es wirtschaftlich hervorragend. Ihr Vorsteuerergebnis ist innerhalb von nur zwei Jahren, von 2022 bis 2024, um fast 80 Prozent gestiegen – von 38,1 Milliarden Euro auf beeindruckende 67,7 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalrendite liegt mit 12,9 Prozent deutlich über den Erwartungen des Kapitalmarkts. Dieser Ergebnisboom basiert nicht nur auf der Erholung des Kapitalmarktes, sondern auch auf gestiegenen Kapitalanlageerträgen dank höherer Zinsen. Im Gegensatz zu den Vorjahren tragen zudem nun beide Hauptsegmente gleichermaßen zum Wachstum bei: Sowohl das Non-Life- als auch das Life-Geschäft verzeichneten ein Umsatzplus von rund 8 Prozent. Auch die finanzielle Stabilität bleibt trotz eines leichten Rückgangs der Kennzahlen intakt: Die durchschnittliche Solvenzquote der Top 25 liegt weiterhin klar über der 200-Prozent-Marke bei 219 Prozent. Der festgestellte Rückgang ist dabei überwiegend auf strategische Kapitalmaßnahmen wie Dividenden und Aktienrückkäufe zurückzuführen.
Die vier strukturellen Treiber des Wandels
Die Konsolidierung ist jedoch kein Zufall, sondern wird durch vier maßgebliche, strukturelle Faktoren angetrieben, die insbesondere kleinere und mittlere Anbieter vor erhebliche Probleme stellen. Erstens: Märkte mit geringem Wachstum verzeichnen tendenziell den stärksten Rückgang der Anbieterzahl, was vor allem das Life-Segment betrifft. Zweitens spielen gesellschaftliche Entwicklungen wie die Überalterung der Bevölkerung und der daraus resultierende Fachkräftemangel eine entscheidende Rolle. Gerade in der IT-Branche werden bis 2034 große Lücken prognostiziert, was die Rekrutierung von Spezialisten zusätzlich erschwert. Drittens stellen hohe IT-Investitionen in die digitale Transformation, deren Komplexität selbst für große Player eine Herausforderung darstellt, für kleinere Häuser oft eine kaum zu bewältigende finanzielle Belastung dar. Viertens und letztens verstärkt die zunehmende EU-Regulierung – etwa durch Solvency II, CSRD, DORA oder GDPR – den Konsolidierungsdruck. Die Umsetzung dieser Vielzahl an Vorgaben erfordert einen hohen Ressourcenaufwand in Compliance und Datenmanagement, was die Konsolidierung hin zu weniger, kapitalstarken Akteuren fördert.
Der österreichische Markt im europäischen Vergleich
Im Kontext dieser europäischen Entwicklungen zeigt sich, dass Österreich den Konsolidierungstrend zwar ebenfalls aufweist, dieser jedoch im moderaten Bereich liegt. Die Zahl der Versicherungsunternehmen ist in Österreich im Zeitraum von 2019 bis 2024 um 8,8 Prozent zurückgegangen (von 34 auf 31 Anbieter). Damit liegt Österreich in der Spanne jener Märkte, die einen Rückgang zwischen 5 und 10 Prozent verzeichnen, und weist eine geringere Dynamik auf als Länder wie Polen oder Slowenien. Auch das Marktwachstum in Form der Prämienentwicklung (GWP/Insurance Revenue) lag in Österreich mit +3,9 Prozent pro Jahr (2019–2024) nahe am europäischen Durchschnitt von 3,8 Prozent, wobei das gesamte Prämienvolumen im Jahr 2024 21,3 Milliarden Euro betrug.
Die Optionen zur Sicherung der Eigenständigkeit
Die gute Nachricht für kleinere und mittlere Versicherer lautet: Die Aufgabe der Eigenständigkeit ist kein unausweichliches Schicksal. Die Studie identifiziert zwei wirksame strategische Handlungsoptionen, um den Druck erfolgreich zu bewältigen und weiterhin profitabel zu wirtschaften. Erstens können kleinere Unternehmen durch eine klare Spezialisierung in der Nische ihre Eigenständigkeit sichern. Überdurchschnittliches Wachstum und hohe Profitabilität können durch eine tiefgehende Kenntnis und Fokussierung auf ausgewählte Sparten oder Produkte erzielt werden, wodurch der Wettbewerb mit den großen Generalisten vermieden wird. Zweitens stellen strategische Partnerschaften und Kooperationen eine erfolgsversprechende Alternative zu Fusionen oder Übernahmen dar. Angesichts der komplexen Herausforderungen in IT und Regulatorik können Versicherer jene Teile ihrer Wertschöpfungskette, die von geringer strategischer Bedeutung sind, an spezialisierte Partner auslagern. Dadurch können Effizienzgewinne erzielt werden, ohne dass die rechtliche Eigenständigkeit aufgegeben werden muss – ein entscheidender Faktor für viele kleinere Player. Die Versicherer haben somit die Wahl zwischen Nischenfokus und strategischer Kooperation, um in diesem konsolidierenden Umfeld zu bestehen.






