Pläne für die Regulierung von umweltbezogenen Aussagen, wie „klimaneutral“ oder „CO2-positiv“, und ESG-Gütesiegeln wälzt die EU-Kommission schon länger. Am 22. März hat sie dazu einen Richtlinien-Vorschlag veröffentlicht, die so genannte Green-Claims Richtlinie. Für nicht begründete „grüne“ Marketingsprüche und fragwürdige ESG-Siegel wird die Luft dünn.
Mit dem Europäischen Grünen Deal hat sich die EU-Kommission unter anderem dazu verpflichtet, Verbraucher in die Lage zu versetzen, besser informierte Entscheidungen zu treffen und eine aktive Rolle beim ökologischen Wandel zu spielen. Konkret verpflichtet sich die EU im Grünen Deal gegen falsche Umweltbehauptungen vorzugehen, indem dafür gesorgt wird, dass Käufer verlässliche, vergleichbare und überprüfbare Informationen erhalten, damit sie nachhaltigere (Kauf-)Entscheidungen treffen können und die Gefahr des Greenwashing verringert wird. Wie so oft, wenn es um die Rettung des Klimas geht, sieht sich die EU-Kommission als Vorbild für die ganze Welt. Sie erwartet im Sog der Green-Claims Richtlinie positive Auswirkungen auf globale Wertschöpfungsketten, die Anreize für Unternehmen aus Drittländern schaffen, einen Beitrag zum grünen Wandel zu leisten. Bis dato hat sich diese Hoffnung allerdings nicht erfüllt. Unternehmen aus Drittländern – also außerhalb der EU – begegnen dem „grünen“ europäischen Regulierungswahn sehr zurückhaltend.
53,3 Prozent der Umweltaussagen vage, irreführend und unbegründet
Die EU-Kommission hat in den Jahren 2014 und 2020 Bestandsaufnahmen von Umweltangaben durchgeführt und dabei Stichproben von 150 umweltbezogenen Angaben für eine breite Palette von Produkten untersucht (hinsichtlich Klarheit, Eindeutigkeit, Genauigkeit und Überprüfbarkeit). Die 2020er-Studie ergab, dass 53,3 Prozent der umweltbezogenen Angaben vage, irreführende oder unbegründete Informationen über Umwelteigenschaften von Produkten enthalten. Die Analyse ergab auch, dass 40 Prozent der umweltbezogenen Angaben nicht begründet waren. Die reine Behauptung, „grün“ und nachhaltig zu sein, also nicht so umweltfreundlich wie angegeben, führt Verbraucher in die Irre. Sind Umweltangaben nicht zuverlässig, vergleichbar und überprüfbar können Verbraucher ihre Kaufentscheidungen nicht in vollem Umfang dazu nutzen, bessere Umweltleistungen zu belohnen. Diese Folgen werden durch das Fehlen einer gemeinsamen Regelung in der EU und die daraus resultierende Verwirrung zusätzlich verschärft. Die Green-Claims Richtlinie soll für Klarheit sorgen. Parallel dazu wird die EU-Verbraucherschutz-Richtlinie mit einem Verbot für allgemeine umweltbezogene Angaben, die nicht auf einer anerkannten hervorragenden Umweltleistung beruhen, ergänzt. Beispiele für solche (zukünftig zu) allgemeine Umweltangaben sind „umweltfreundlich“, „Öko“, „grün“, „Freund der Natur“, „ökologisch“ und „umweltgerecht“. Als anerkannt und hervorragend gelten Umweltleistungen dann nur mehr, wenn sie in Bezug auf ihre Begründung, Kommunikation und Überprüfung den Bestimmungen des EU-Umweltzeichens (EU Ecolabel) entsprechen.
Neue Begriffsbestimmungen
Als umweltbezogene Angabe definiert die Green-Claims Richtlinie jede freiwillige Aussage oder Darstellung, einschließlich Text, Bildern, grafischer oder symbolischer Darstellungen in jedweder Form, einschließlich Etiketten, Markennamen, Firmennamen oder Produktnamen, im Rahmen einer kommerziellen Kommunikation, mit der erklärt oder suggeriert wird, dass ein Produkt oder ein Gewerbetreibender positive oder keine Auswirkungen auf die Umwelt hat bzw. weniger umweltschädlich ist als andere Produkte oder Gewerbetreibende oder seine Auswirkungen im Laufe der Zeit verbessert hat. Unterschieden wird zwischen einer ausdrücklichen umweltbezogenen Angabe in Textform oder als Bestandteil eines Umweltzeichen, und einer allgemeinen umweltbezogenen Angabe, unter der jede ausdrückliche umweltbezogene Angabe zu verstehen ist, die nicht in einem Nachhaltigkeitszeichen enthalten ist. Alles klar?
Ausdrückliche Umweltaussagen müssen im Sinne der Green-Claims Richtlinie ebenso begründet sein wie vergleichende ausdrückliche Umweltaussagen. Weiters sind Bestimmungen zur Kommunikation von ausdrücklichen sowie vergleichenden Umweltaussagen vorgesehen.
Zertifizierungssysteme für Nachhaltigkeitskennzeichen
ESG-Gütesiegel und Umwelt-Label definiert der Richtlinienentwurf als Nachhaltigkeitskennzeichen. Darunter sind freiwillige öffentliche oder private Vertrauenszeichen, Gütezeichen oder gleichwertige Kennzeichnung zu verstehen, die darauf abzielen, ein Produkt, ein Verfahren oder ein Unternehmen in Bezug auf seine ökologischen oder sozialen Aspekte oder beides zu kennzeichnen und zu fördern. Nachhaltigkeitskennzeichen müssen nach den Plänen der EU-Kommission zukünftig ein Zertifizierungssystem vorweisen können, das heißt, ein Prüfsystem für Dritte, das unter transparenten, fairen und nichtdiskriminierenden Bedingungen allen Gewerbetreibenden offensteht, die bereit und in der Lage sind, die Anforderungen des Systems zu erfüllen, und das bescheinigt, dass ein Produkt bestimmte Anforderungen erfüllt. Zusätzlich muss die Überwachung der Einhaltung objektiv sein, auf internationalen, EU- oder nationalen Normen und Verfahren beruhen und von einer Partei durchgeführt werden, die sowohl vom Eigentümer des Systems als auch vom Gewerbetreibenden unabhängig ist.
Die EU-Mitgliedstaaten sollen im Rahmen der nationalen Umsetzung der Richtlinie sicherstellen, dass (neue) Umweltzeichen eine lange Liste von Anforderungen erfüllen und dies zu überprüfen. Umweltkennzeichnungssysteme sollen unter anderem folgende Anforderungen erfüllen müssen:
- Eigentumsverhältnisse, Entscheidungsgremien sowie Informationen über die Ziele des Umweltzeichensystems sind transparent, kostenlos zugänglich, leicht verständlich und ausreichend detailliert,
- die Anforderungen an das Umweltkennzeichnungssystem wurden von Sachverständigen entwickelt und einer heterogenen Gruppe von Interessengruppen zur Konsultation vorgelegt, die sie überprüft und ihre Relevanz aus gesellschaftlicher Sicht sichergestellt hat,
- es sind Verfahren für den Umgang mit Verstößen festgelegt und der Entzug oder die Aussetzung des Umweltzeichens im Falle eines anhaltenden Verstoßes sind vorgesehen,
- Begründung und Kommunikation von Umweltangaben sowie Umweltkennzeichnungssystemen müssen von einem (Umwelt-)Gutachter überprüft und zertifiziert werden.
Lange Rede, kurzer Schluss: Ein regelkonformes ESG-Gütesiegel zu gestalten, wird zur echten Herausforderung. Eine Reihe von heute verwendeten Umweltzeichen, die auf manchen Produkten im Dutzend prangen, wird wohl verschwinden (müssen). Der Markt der Zertifizierungsstellen wird sich auf deutlich weniger Anbieter konzentrieren, die neben der geforderten Qualität auch die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen können.
Geldbußen bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes
Die EU-Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass bei der Verhängung von Sanktionen der Höchstbetrag von Geldbußen mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden in dem betreffenden Mitgliedstaat beträgt. Das kann beispielsweise bei Lebensmittelkonzernen oder Bekleidungsketten gehörig ins Geld gehen.
Umsetzung und Inkrafttreten
Aktuell handelt es sich bei der Green-Claims Richtlinie um einen Entwurf, der zuerst einmal in einer finalen Richtlinie münden muss. Sobald das geschehen ist, haben die EU-Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Gesetz zu gießen, damit die Bestimmungen 24 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie angewandt werden können. Es bleibt also noch Zeit, um sich auf die neuen Bestimmungen einzustimmen. Vielleicht wird letztendlich nicht alles so heiß gegessen, wie es der Entwurf kocht, inhaltliche Änderungen sind noch möglich. Mehr Qualität wird den Wildwuchs an grünen Labels jedenfalls eindämmen.
Quellen:
Proposal for a Directive oft he European Parliament and of the Council on substantiation and communication of explicit environmental claims (Green Claims Directive) vom 22.03.2023; COM(2023) 166 final
Proposal for a Directive oft he European Parliament and of the Council amending Directives 2005/29/EC and 2011/83/EU as regards empowering consumers for the green transition through better protection against unfair practices and better information