Die Entwicklungen in Sachen Provisionsverbot bei Finanzanlageprodukten haben möglicherweise weniger praktische Folgen als befürchtet, aber könnten das Selbstbild des Maklers grundlegend ändern, erklären Prof. Andreas Riedler, von der Universität Linz, sowie Prof. Stefan Perner von WU-Wien auf dem internationalen Symposium für Versicherungsmakler und Führungskräfte von Versicherungsunternehmen in Velden. Gemeinsam analysierten die beiden Experten, die Vorgaben, die sich am europäischen Horizont abzeichnen, und ihre nationalen Folgen.
Die europäischen Vorschläge von der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat enthalten ein eindeutiges „Jein“ zum Provisionsverbot, erklärt Riedler. Die Quintessenz der nun vorliegenden Vorschläge interpretiert Riegler so: Kündigt ein Makler dem Kunden unabhängige Beratung an, so darf er auch keine Provision von dritter Stelle, also vom Versicherer „annehmen und behalten“ (Art. 30 Abs. 5b). Diese grundlegende Stoßrichtung der Kommission wurde von Parlament und Rat bestätigt, kommt Riegler zum Schluss. Dies bedeutet konkret: Im Falle der Mitteilung an den Kunden, dass die Beratung „ungebunden“ (Vorschlag: Kommission, Parlament) erfolgt, ist der Vermittler nicht berechtigt, für die Erbringung der Dienstleistung Gebühren, Provisionen und Ähnliches einer dritten Partei „anzunehmen und zu behalten“. Dabei gibt es drei mögliche Varianten, wie die Versicherungsmakler in Zukunft vorgehen können. Wenn der Berater eine „abhängige Beratung“ avisiert, kann er die erhaltene Provision auch behalten. Bei der Avisierung einer unabhängigen Beratung muss der Vermittler die erhaltene Provision an den Kunden weitergeben (nicht Provisionszufluss- sondern Provisionsbehalteverbot), abzüglich eines Beratungsentgelts oder er bezieht ein Honorar. Die Diskussion darüber, wie die Formulierung „ungebunden“ in den Vorschlägen der Kommission und dem Europäischen Parlament, zu verstehen sei, hat Auswirkungen auf die rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes. Laut Riegler handelt es sich hier schlichtweg um einen Übersetzungsfehler im Vergleich zur englischen (advice is given on an independent basis), französischen, polnischen und italienischen Fassung, die eindeutig von „unabhängig“ spricht.
Ein neues Selbstbild
Bei der Frage, ob sich für den Makler etwas ändern muss, könnte man mit einem vorsichtigen „Nein“ antworten, erklärt Perner. Wenn der Versicherungsmakler auftritt als nicht unabhängiger, aber ungebundener Versicherungsmakler, dann braucht es auch keine Änderung der Regelungen. Jedoch gehört die Unabhängigkeit zum Selbstbild des Maklers, so der WU-Professor. Perner erklärt, dass die Unabhängigkeit im Gesetz für den Versicherungsmakler nicht genannt und damit auch nicht vorausgesetzt wird. Er bezweifelt auch die Unabhängigkeit insofern, als der Makler Provision erhält und damit nicht wirtschaftlich unabhängig agieren kann, so Perner. Als ungebundener Versicherungsmakler hingegen kann der Makler weiterhin Provisionen kassieren. Perner konkludiert: Will man weiterhin an der Unabhängigkeit festhalten, greifen die Verbote der Provision. Will man weiterhin an der Provision festhalten, so bedeutet dies die Aufgabe der Unabhängigkeit. Dies könnte man im Gesetz regeln. Man könnte in den Standesregeln, denen der europäischen Definition folgen. Als Vorbild könnte auch die Gesetzgebung in der Kreditvermittlung dienen, wo bereits ein Provisionsverbot für den unabhängigen Vermittler gilt.
Nationale Umsetzung Mitte 2026
Eine endgültige europäische Entscheidung für das partielle Provisionsverbot erwartet Riegler frühestens Ende 2024. Die Umsetzung in nationales Recht hat danach noch einmal 18 Monate Zeit. Entscheidend, wann die neue Regelung in Kraft tritt, wird auch der Trilog, also die Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat sein. Nur in einem wesentlichen Punkt ging Rat und Parlament nicht mit der Kommission mit. So sieht der Vorschlag der Kommission auch ein Provisionsverbot für den Vertrieb ohne Beratung vor. Das Parlament und der Rat stellen sich in ihren Vorschlägen, jedoch gegen ein Provisionsverbot im Falle eines Vertriebes ohne Beratung. Insgesamt gibt es auch juristischer Zweifel daran, ob der europäische Gesetzgeber, mit einer solchen Bestimmung seine Kompetenzen möglicherweise überschreitet, und eine solche Richtlinie darüber hinaus gegen Grundprinzipien, wie der wirtschaftlichen Freiheit verstoße, erklärt Riegler. Aber zu beachten ist dabei, dass ein Verstoß nicht automatisch zu einer Ungültigkeit einer solchen Richtlinie führt, sondern nur zur Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage.