Beim diesjährigen Praxisdialog des Branchenverbands der selbständigen Versicherungsvermittler und Finanzberater Österreichs (AFPA) drehte sich alles um das Thema Nachhaltiges Investieren. Seit Anfang August müssen Vermittler nachhaltig beraten, aber technische Standards wird es erst ab 2023 geben. Rechtsunsicherheit begleitet Berater und Vermittler von Finanzanlageprodukten, die die neuen Vorgaben umsetzen müssen. Über diesen und andere Aspekte der Nachhaltigkeit bei Finanzanlagen diskutierten Dr. Georg Lehecka, von der Finanzmarktaufsicht Österreich, Anton Bonnländer, Partner von Re-Public Sustainable Finance und Constantin Veyder-Malberg, Vorstand der Schelhammer Capital Bank.
Veyder-Malberg hebt die Problematik der nachhaltigen Anlageberatung hervor, in Bezug auf die neue Rechtsvorschrift, die Berater verpflichtet die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abzufragen. „Das, was wir jetzt haben, ist eine Baustelle. Es gibt völlige Unklarheit“. Man lebe mit der Angst, weil es kaum Rechtssicherheit gibt. Durch die Beratung, die in Regulatorik gegossen ist, komme am Ende ein bürokratischer Alptraum heraus, ärgert sich Veyder-Malberg.
„Das Produkt des Beraters ist die Zeit und nun brauchen wir doppelt so lange für die Beratung“. Das könne man sich bei High Net Wealth Kunden leisten, sich eine Stunde zusammenzusetzen, aber nicht dort, wo 10.000 Euro veranlagt werden, so Veyder-Malberg. „Auch wenn es noch keine klaren Regeln gibt, müssen wir damit jetzt anfangen, sonst ist die Welt schon untergegangen“, erklärt Bonnländer. Nicht nur in der Anlage, sondern auch beim Thema Finanzierung muss die Bank ihre Komfortzone verlassen, so Bonnländer weiter. „Kredite für Unternehmen, die nicht nachhaltig wirtschaften, werden teurer werden“
Nachhaltiges Investieren ist aber auch ein Kundenbindungsinstrument, erklärt Bonnländer. „Es zeigt sich, dass bei nachhaltigen Schwerpunkten Kunden eher bei der Stange bleiben. Nachhaltigkeit ist somit ein gutes Instrument, um Vertrauen und Kundenbindung zu fördern“. Wünscht jedoch ein Kunde überwiegend Taxonomie-konform zu investieren so wird er enttäuscht werden. Denn derzeit liegt der Anteil der Werte im Dax, der Taxonomie-konform ist bei 2,5 bis 3 Prozent. „Der Rest ist nicht nachhaltig“. Dabei stellt sich die Frage was sich als „Nachhaltige Anlage“ bezeichnen darf. „Dafür gibt es derzeit keinen Rechtsrahmen“, so Lehecka. Eine Mindestanforderung besteht aber doch, laut dem FMA-Experten. „Es muss zumindest überwiegend Nachhaltigkeit drinnen sein“. Überwiegend definiert Lehecka mit zumindest 50 Prozent. Wenn ein Finanzproduktanbieter einen Fonds als nachhaltig bewirbt, aber nachhaltige Themen nur zu einem minderen Anteil im Fonds enthalten sind, ist das Green-Washing, so Lehecka.
Der FMA-Experte räumte auch mit der Vorstellung auf, dass die Artikel 8 oder Artikel 9 Fonds, gelabelte Fonds seien. Dabei handelt es sich um eine Transparenzregel und um kein Nachhaltigkeitslabel. Es kann sein, dass ein hellgrüner Artikel 8 Fonds um vieles nachhaltiger ist, als ein Artikel 9 Fonds. Artikel 8-Fonds müssen offenlegen welche Nachhaltigkeitskriterien man bei der Auswahl der Anlageinstrumente anwendet, Artikel 9-Fonds müssen mit den Anlageinstrumenten explizite Nachhaltigkeitsziele verfolgen. All dies sagt jedoch noch nicht sehr viel darüber, wie nachhaltig ein Fonds ist.
Nachhaltigkeitsschwerpunkte der Aufsichtsbehörde
Für die FMA ist seit 2021 das Thema Nachhaltigkeit eines der sechs Aufsichtsprüfschwerpunkte, erklärt Lehecka. Dabei ist Greenwashing im Fokus der Aufsicht. Für diejenigen, die betrügerisch tätig sind, und Greenwashing betreiben, gibt es seitens der FMA eine Nulltoleranzpolitik, so Lehecka. Marketingaktivitäten und Offenlegungen im Bereich nachhaltiger Finanzprodukte haben im Einklang mit geltenden rechtlichen Standards zu erfolgen. D.h. die FMA prüft derzeit die hinreichende Offenlegung. Ob die Finanzprodukte genau der Offenlegung entsprechen, wird stichprobenweise überprüft.
Pauschale Sätze, wie „das Investment berücksichtigt Nachhaltigkeitsfaktoren“, genügen nicht mehr als Offenlegung, so Lehecka. Jedoch gibt der FMA-Experte zu, dass man sich derzeit in einer Transitionsphase befindet, in der das Alte nicht geht, aber das Neue regulatorisch noch nicht ganz da ist. Das sei eine Herausforderung für uns alle. Für eine weitere Professionalisierung ist der Ausbau der Datenlage wichtig. Reporting- und Risikomanagementverpflichtungen erfordern die Schaffung robuster Daten, auf deren Basis bestehende Risiken erkannt, gemessen und gemanagt werden können, so Lehecka. „Manchmal geht es jedoch nicht um die Beratung, sondern nur darum die Dokumentationspflichten erfüllt zu haben“, ärgert sich Bonnländer
Jedoch ist das auch eine Gefahr. Denn es fehle an Transparenz. So kann man versuchen das Thema Nachhaltigkeit in der Beratung zu vermeiden, in dem man bei der Veranlagung alle Kundenkontakte als Execution-Only kennzeichnet. Lehecka erklärt, dass man diesbezüglich seitens des Aufsehers auf die Plausibilität achtet. Wenn der Prozentsatz der Uninteressierten Kunden im Bezug auf Nachhaltigkeit zu hoch sei, werde die FMA hellhörig. Veyder-Malberg machte den Vorschlag, in Zukunft die Frage nach der Nachhaltigkeitspräferenz, nicht mehr nur mit ja oder nein zu beantworten, sondern als dritte Alternative neutral wählen zu können.
Veyder-Malberg machte die Erfahrung, dass 80 Prozent aller Kunden in dieser Frage neutral eingestellt sind, d.h. sie vertrauen hier vollends ihrem Anlageberater. Die anderen 20 Prozent teilen sich gleichmäßig in desinteressierte Kunden sowie in Kunden auf, die eine starke Nachhaltigkeitspräferenz besitzen. Veyder-Malberg adressierte die Frage, ob dieser Vorschlag ein gangbarer Weg für die Aufsicht wäre an Lehecka, der sich jedoch coram publico nicht festlegen wollte.
Nachhaltige Anlage sind bessere Investments
Bei den Produkten zeigt sich, laut Bonnländer, dass die Masse der besten Aktienfonds der letzten fünf Jahre einen nachhaltigen Anlagefokus haben. Der Nachhaltigkeitsbereich ist auch der Bereich, der am wenigsten Risiken birgt, wenn es einmal in die falsche Richtung geht. Denn es gibt zusätzlich noch eine soziale, ethische oder klimafördernde Zusatzrendite, so Bonnländer.
Veyder-Malberg ergänzt: „Die Kapitalkosten für grüne Investments gehen permanent nach unten, während die Kapitalkosten für herkömmliche Anlagen ansteigen. Am Ende des Tages ist dies der größte Motor für die Nachhaltige Anlage“.