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Wenn die Wohnkredite grüner werden

von Mag. Michael Kordovsky

Nachhaltige Investmentfonds, grüne Sparbücher oder umweltfreundliche Konten zeigen eines. Banken setzen immer mehr auf nachhaltige Produkte und auch in der Kreditvergabe nehmen ESG-Kriterien immer mehr Einzug. Bei Unternehmenskrediten und Kreditansuchen um Immobilienfinanzierungen spielt die Klimafreundlichkeit der betreffenden Unternehmen bzw. Projekte sowie betreffender Gebäude eine zunehmend größere Rolle.  Der Schwerpunkt der Finanzierungsangebote verlagert sich immer mehr auf energetische Sanierung, den Kauf und einer anschließenden Sanierung sowie ökologisch einwandfreie Liegenschaften. Ein niedrigerer Energieverbrauch, umweltfreundlichere Materialien, Verwendung von Wärmepumpen und Solaranlagen – all das gewinnt bei Immobilienfinanzierungen immer mehr an Bedeutung.

Drei Viertel aller Gebäude in der EU gelten noch immer als energieineffizient. In 42 Prozent der Wohngebäude dient Erdgas als Energiequelle für die Raumheizung, während Öl mit 14 Prozent der zweitwichtigste fossile Brennstoff für Heizzwecke ist. Der Kohleanteil liegt noch immer bei drei Prozent. Somit entfallen auf Gebäude in der EU 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und 36 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen. Entsprechende Sanierungspflichten kommen in den kommenden Jahrzehnten auf Immobilienbesitzer zu. Konkret geht es um eine mittlerweile verschärfte Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, nämlich die EU-Gebäuderichtlinie „EPBD“ (Energy performance of buildings directive), die am 14. März 2023 vom EU-Parlament angenommen wurde, und nun für die so genannten Trilog-Verhandlungen zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission freigegeben wurde, bevor sie beschlossen werden und in Kraft treten kann.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die am 14. Oktober 2020 von der EU-Kommission veröffentlichte Strategie für eine Renovierungswelle: Diese enthält einen Maßnahmenplan mit konkreten rechtlichen, finanziellen und unterstützenden Maßnahmen mit dem Ziel, die jährliche Quote der energetischen Renovierungen von Gebäuden bis 2030 mindestens zu verdoppeln und umfassende Renovierungen in mehr als 35 Millionen Gebäuden  und  Schaffung von bis zu 160.000 Arbeitsplätzen in der Baubranche zu fördern (Quelle: Europäisches Parlament, 14. März 2023,  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung)). Selbst wenn die durchschnittlichen Sanierungskosten pro Gebäude nur bei 100.000 Euro liegen, würde das gesamte Investitionskosten von 3,5 Billionen Euro bzw. 22 Prozent des BIP der EU27 bedeuten.

Konkrete Maßnahmen bzw. Vorgaben der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie „EPBD“:

Bis 2050 soll der gesamte Gebäudebestand der EU „Nullemissionsstandard“ erreicht haben als Beitrag des Gebäudesektors zum übergeordneten Ziel der EU, in allen Bereichen bis 2050 klimaneutral zu werden. Bereits ab 2028 sollten Neubauten emissionsfrei sein. Und bei bestehenden Wohngebäuden gibt es strengere Bestimmungen als ursprünglich vorgesehen. Der Hintergrund ist dabei eine neue Einstufung nach Energieeffizienzklassen A bis G, bei der bis Ende 2025 absolute Kriterien wie Heizwärmebedarf HWB in kWh/m2 auf eine relative Klassifizierung umgestellt werden müssen. Dann entspricht Klasse G den 15 Prozent der Gebäude mit schlechtesten Energie-Werten im Gebäudebestand eines Mitgliedsstaates, Kasse F den zweitschlechtesten 15 Prozent etc. Nur die Klasse A ist absolut als „Nullemissionsgebäude“ definiert. Bestehende Wohngebäude sollten in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ab 1. Januar 2030 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse E erreichen und ab dem 1. Januar 2033 die Gesamtenergieeffizienzklasse D.  Hingegen Nichtwohngebäude und öffentliche Gebäude müssen diese Stufen bereits Anfang der Jahre 2027 bzw. 2030 erreicht haben.

Die Folgen dieser Entwicklung

In den Jahren 2026 bis 2032 ist von einem Sanierungsboom auszugehen. Vor allem Sanitär- und Heizungsinstallateure und kleinere Baufirmen könnten auf Jahre ausgebucht sein. Im Zuge einer enormen Nachfrage nach Bau- und Installationsdienstleistungen, neuen Dämmstoffen, Türen und Fenstern etc. könnte es zu Materialknappheit und Terminengpässen kommen. Lange Wartezeiten und explodierende Preise bei Materialien und Handwerkstarifen wären die Folgen. Zwar stellen EU, Mitgliedsstaaten, Bundesländer und Gemeinden großzügige Förderungen bereit, doch ob noch wie heute bis zu über 40 Prozent einer thermischen Sanierung aus staatlichen Fördermittel finanziert werden können, bleibt abzuwarten.

Auch ist bei der Kaufpreisfinanzierung energieineffizienter Gebäude eine stärkere Zurückhaltung der Banken zu erwarten, insbesondere im Hinblick auf zukünftige Sanierungsauflagen. Dies kann dazu führen, dass Banken wegen der herannahenden Sanierungskostenlawine entsprechende zusätzliche Eigenmittelnachweise und/oder Sicherheiten verlangen oder einen Kredit zur Finanzierung des Kaufes eines energieineffizienten Gebäudes an die Auflage einer sofortigen thermischen Sanierung knüpfen.Gleichzeitig wird die Preiskluft zwischen Neubauten und energieineffizienten Gebäuden im Alter von über 20 Jahren zunehmend größer. Immer mehr preisen nämlich die Immobilienmärkte bei energieineffizienten Gebäuden zukünftige Sanierungskosten ein. Ein aktuelles Beispiel über einen aber noch relativ kurzen Zeitraum liefert der von der OeNB veröffentlichte Wohnimmobilienpreisindex: Quer durch Österreich außerhalb Wiens stiegen vom dritten Quartal 2022 bis zum ersten Quartal 2023 die Preise für neue Wohnungen um ein weiteres Prozent, während sich jene gebrauchter Wohnungen um 2,5 Prozent rückläufig entwickelten. In Wien erreichten die Preise gebrauchter Wohnungen bereits im zweiten Quartal 2022 ihren Höhepunkt, ehe sie bis zum ersten Quartal 2023 durchschnittlich im Preis 4,2 Prozent nachgaben.

Kritische EU-Richtlinien und Zwei-Klassen-Immobilien auch am Kreditmarkt

In zunehmendem Maße rücken ESG-Kriterien in den Fokus, besonders das Kernthema Klimawandel, wenn es um die Entwicklung neuer EU-Richtlinien, auch in Bezug auf Kreditvergabe, geht. Dieser Trend zeichnet sich auch bereits am heimischen Kreditmarkt ab. Mag. Harald Draxl, Geschäftsführer des Kreditvermittlungsunternehmens Infina, hat durch den Zugang zu den Angeboten von etwa 130 Kreditinstituten einen guten Überblick über den Markt und ist daher über die neuesten Trends entsprechend informiert. Er formuliert es wie folgt: „Ja, es gibt Banken, die sich diesem Thema angenommen haben, indem sie Objekte mit dem Energiestandard A in ihren Kreditkonditionen günstiger bepreisen.“ Objekte mit einem Energiestandard schlechter als A könnten tendenziell niedriger bewertet werden. Eine solche Bewertung hat möglicherweise ungünstigere Belehnwerte zur Folge. „Unter bestimmten Umständen könnte es dann notwendig werden, die Eigenmittel zu erhöhen. In Zukunft könnte dies in konkreten Einzelfällen sogar zu einer Ablehnung des Kredits führen und sich negativ auf die Kreditkonditionen auswirken.“

Lesen Sie mehr dazu in der Juli Ausgabe von risControl.

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