Leopold Quell (c) Roland Rudolph
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Halbleiterchips sind das neue Öl

von Leopold Quell Aktienfondsmanager bei der Raiffeisen KAG

Nichts geht mehr ohne Mikrochips. CPUs (central processing units) und GPUs (graphics processing unit) haben nicht nur unseren Alltag in den letzten Jahren und wenigen Jahrzehnten vollkommen verändert, sie sind auch nicht mehr aus dem Wirtschaftsleben wegzudenken. Dabei ist es für uns selbstverständlich geworden, dass die Computerleistungsfähigkeit ständig zunimmt. ‚Moore’s Law‘, welches besagt, dass sich die Anzahl der Transistoren auf einem Halbleiterchip – durch zunehmende Miniaturisierung – im Schnitt alle zwei Jahre verdoppelt, hält noch immer – und das fünf Jahrzehnte nachdem Gordon Moore diesen Trend erstmals beobachtet hat. Dieses Wachstum ist einerseits Zeugnis großer Ingenieurskunst und andererseits das Ergebnis von hohem Konkurrenzdruck unter anderem zwischen TSMC, Samsung oder Intel, der diese Unternehmen zu Höchstleistungen antreibt.

USA hat die Nase vorn

Mikrochips steuern aber nicht nur Handys und Computer, sie machen auch Waffen effizienter und „smart“. Folglich ist die geopolitische Dimension von Technologie im Allgemeinen und Halbleiterinnovation sowie künstlicher Intelligenz im Besonderen immens. Das weiß die US-Regierung genauso wie das Politbüro in Beijing. Um die Stellung als Supermacht zu behalten bzw. zu erlangen, ist es notwendig die globale Technologie-Führerschaft zu sichern. Es wundert daher wenig, dass Washington spätestens seit der Präsidentschaft von Donald Trump einen Schwenk gegenüber China vorgenommen hat, um dem Reich der Mitte den Zugang zu Hochtechnologie schwieriger zu gestalten.

Denn in der Vergangenheit haben chinesische Firmen bewiesen, dass sie ganze Branchen auf den Kopf stellen und übernehmen können. So geschehen zum Beispiel beim Markt für Solarpanele. Von der ursprünglichen Dominanz deutscher Unternehmen in diesem Sektor in den frühen 2000er Jahren ist nichts mehr übrig. China kontrolliert weit über 80 Prozent des Marktes. Auch die Elektroautobranche kann hier – mit Abstrichen – genannt werden. Unterhalb des Hochpreissegments, das von Tesla angeführt wird, haben sich chinesische Anbieter, wie BYD, XPeng oder Li Auto etabliert. Europäische Hersteller finden sich hingegen in der Defensive. Im Halbleiter und KI-Bereich ist China von einer solchen Dominanz hingegen noch entfernt. Entgegen der oftmals geäußerten Annahme, dass China bereits Technologieweltführer ist, ist festzuhalten, dass gerade die Produktion und das Design von Halbleiterchips von nicht-chinesischen Unternehmen kontrolliert wird. Neben TSMC (Taiwan) sind ua ASML (Niederlande), Applied Materials und Qualcomm (beide USA) sowie einige japanische Unternehmen (zB Tokyio Elctron) zu nennen.

China holt auf

China lässt sich jedoch nicht so leicht abschütteln. Bester Beweis dafür ist das im Spätsommer vorgestellte ‚Huawei Mate 60 Pro‘. Es handelt sich dabei um das aktuelle Spitzenmodell des chinesischen Telekommunikationsriesen. Die Leistungsspezifikationen des Handys lasen sich eindrucksvoll und unabhängige Tests bestätigten rasch, was Branchenexperten nicht für möglich gehalten hätten. Nämlich dass das ‚Mate 60 Pro‘ nur 12 bis maximal 18 Monate hinter den leistungsstärksten westlichen und koreanischen Handys liegt. Warum ist das erstaunlich? Weil es sich – nahezu vollständig – um ein Handy ‚Made in China‘ handelt. Denn während Huawei und andere chinesische Handyhersteller in der Vergangenheit CPUs, beim führenden Halbleiterhersteller Taiwan Semiconductor (TSMC) fertigen lassen oder 5G-Chips bei Qualcomm kaufen konnten, müssen sie aufgrund von Exportbeschränkungen der US-Regierung nun mehrheitlich auf chinesische Zulieferer setzen. Auf Zulieferer wie den Chiphersteller SMIC, der das leistungsstarke Herzstück des Mate 60 Pro, den Kirin 9000s CPU, produziert.

Erfolge wie diese lassen mich erwarten, dass sich das Wettrennen um die technologische Vormachtstellung in Schlüsselbranchen zwischen China und den USA noch verschärfen wird. Das heißt Technologie-Unternehmen müssen voraussichtlich mit mehr politischer Einflussnahme rechnen, was den Gewinnen und somit dem Kurspotential im Normalfall abträglich ist.

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