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Über nachhaltige Ernährungsumstellung, merkwürdige Blüten der globalen Lieferketten und gefiederte Freunde

von Thomas Beckstedt

Vorletztes Wochenende habe ich Kurt geholfen, eine Bewässerungsanlage in seinem Garten zu installieren. Wir sind Freunde und helfen uns gegenseitig, wie es sich unter Freunden gehört. Den Perlschlauch verlegen wir entlang der Sträucher oberirdisch, an manchen Stellen graben wir ihn ein, aber nur wenige Zentimeter, wie wir aus diversen Videos im Internet gelernt haben. Die Arbeit ist nicht allzu schwer, aber es braucht seine Zeit.

In einer Trinkpause mustere ich beiläufig meinen Freund, der kurze Hosen und ein T-Shirt trägt, als sich mir unvermutet eine Frage aufdrängt: „Sag Kurt, hast du abgenommen?“ Vor drei oder vier Monaten, erinnere ich mich, erzählte er mir, dass er ein ziemliches Problem mit dem Schnarchen hat und der Arzt, den er konsultiere, stellte ihm als Abhilfe eine Operation an seinem Gaumensegel in Aussicht; alternativ dazu könne Kurt auch den Versuch starten, sein Schnarch-Problem durch Gewichtsreduktion zu entschärfen – was, wie mir scheint, er erfolgreich unternommen hat.

Kurt erwidert nicht ohne Stolz: „Ja, mein Lieber, In den letzten 100 Tagen habe ich über 10 kg abgenommen. Ich fühle mich besser, vitaler und schnarche kaum noch. Inzwischen bin ich fest überzeugt, dass ich mich der schmerzhaften Amputation meines Gaumensegels nicht unterziehen werde.“

„Super!“ Ich hebe beide Daumen zu einer anerkennenden Geste. „Darf ich fragen, wie du das geschafft hast?“

„Ich habe mich schlau gemacht: Internet, TV-Ratgeber, Bekannte … bis ich endlich zum Schluss gekommen bin, dass ich keine Hungerdiät und auch kein Fastenprogramm mit Klostersuppe brauche, sondern eine nachhaltige Ernährungsumstellung. Die Kurzfassung lautet: Kalorienbomben, Zucker und Weizenprodukte möglichst meiden, stattdessen viel Gemüse und Obst, Fisch statt Fleisch und nur 3 Mahlzeiten am Tag. Außerdem keine Snacks, weder zwischendurch noch abends.“

„Ich bin beeindruckt“, erwidere ich und lasse mir weitere sehr interessante Details von Kurts Ernährungsumstellung schildern, die, wie er mir versichert, ihn nicht hungern lässt. Dann blicke ich an mir herunter und befühle mein allmählich keimendes Wohlstandsbäuchlein. „Tja“, sage ich lächelnd, „ein paar Kilo weniger würden mir auch nicht schaden. Ich denke, dass ich das eine oder andere Wurstbrot am Abend als Sofortmaßnahme nun einsparen werde.“

Kurt lacht. „Wurst esse ich schon lange nicht mehr, aber das hat einen ganz anderen Grund. Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich die Schlussfolgerung für mich persönlich gezogen habe und die Sache als solche verdrängte. Vor 2 Jahren in etwa sah ich im Fernsehen eine Reportage über globale Lieferketten, und immer, wenn es um dieses Thema geht, spielt China eine nicht unwesentliche Rolle. Jedenfalls zeigten sie in dieser Dokumentation, dass Schaf- und Schweinedärme von Deutschland nach China exportiert werden, wo man sie reinigt, um sie anschließend nach Deutschland zurückzuschicken, wo man sie mit Wurstbrat befüllt und anschließend verkauft.“

„Ehrlich?“ Ich kann es kaum glauben.

„Ja, ich habe diesen Beitrag gesehen, der verlässlich nicht von Russia Today gedreht wurde, sondern von einem renommierten deutschen TV-Sender. Sie berichteten auch ausführlich über den 10-Stunden Arbeitstag und die Lebensverhältnisse der chinesischen Arbeiter, hauptsächlich Frauen, die diese Därme reinigen. Alles in allem eine beinharte Arbeit, die in Europa niemand machen will. Außerdem ist es billiger, diesen Produktionsschritt nach China zu verlagern, trotz der Kosten für die langen Transportwege. Des Weiteren zeigten sie in besagter Doku die Arbeit des deutschen Zolls, der vorschriftsmäßig die gereinigten Därme, die in Fässern geliefert werden, die aussehen wie die Tonnen, in denen diverse Multis Giftmüll im Meer versenken, inspiziert. Man sah, wie die Leute vom Zoll diese Fässer öffneten, angestrengt hineinguckten und darin herumstocherten, um festzustellen, ob wirklich das drinnen ist, was auf den Frachtpapieren steht.

„Großer Gott“, ächze ich laut. „Ich glaub ich würde das nicht schaffen, dazu habe ich einen zu nervösen Magen. Ich glaub, mir wäre es glatt Wurst, was in den Fässern ist, und würde das Zeug einfach durchwinken.“

„Gutes Stichwort“, merkt Kurt an. „Am Ende der Doku zeigten sie mit unterschwelliger Ironie das vorläufige Ende dieser bemerkenswerten Blüte der globalen Lieferkette: Gutsituierte deutsche Bürger, die südlich des Weißwurstäquators in fröhlicher Stimmung Weißwürste lutschen und den Mampf mit Bier aus großen Gläsern hinunterspülen.“

„Okay, Kurt“, ich winkte ab, „es genügt. Ich will nicht mehr wissen. Ich denke, ein Käsebrot ist sowieso viel besser.“

Darauf Kurt: „Ich esse jetzt überhaupt wenig Fleisch, maximal einmal die Woche, und da auch nur Rind oder Schwein, wegen dem Eiweiß.“

„Auch kein Huhn mehr? Ist ein Hühnerfilet nicht wesentlich gesünder als ein Stück Schweinefleisch?“

„Vermutlich, aber ich werde mir demnächst ein paar Hühner anschaffen. Weißt du, ich stelle mir diesbezüglich so eine Art Tauschgeschäft vor: Ich biete den Hühnern neben der barrierefreien Nutzung meines Gartens ein sicheres Nachtquartier, regelmäßiges Futter und tierärztlich Versorgung, falls nötig. Als Gegenleistung bekomme ich ihre Eier aus echter Freilandhaltung. Und ich esse jetzt kein Huhn mehr, weil ich künftig meinen gefiederten Freunden ohne schlechtes Gewissen in die Augen blicken möchte.“

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