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Warum es heuer noch Zinsenttäuschungen geben wird

von Michael Kordovsky

Die jüngste Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank war ein Nonevent, den die Märkte bereits vorwegnahmen. Am 6. Juni beschloss der EZB-Rat eine Senkung der Leitzinsen um jeweils 0,25 Prozentpunkte. Dementsprechend werden der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität mit Wirkung zum 12. Juni 2024 auf 4,25 Prozent, 4,50 Prozent bzw. 3,75 Prozent gesenkt. Nachdem im Euroraum die Inflationsrate im Mai 2024 gegenüber dem Vorjahresmonat von 6,1 Prozent auf 2,6 Prozent zurückging, war das keine große Überraschung, sondern allgemein erwartet worden.

Somit haben es die Märkte bereits eingepreist und die EZB hatte keine Wahl mehr, anders zu reagieren. Ansonsten wäre es zu Turbulenzen an den Märkten gekommen. In der dynamischen Leitzinsanhebungsphase in den Jahren 2022 und 2023 hingegen hinkten die Geldmarktzinsen den Notenbankentscheidungen tendenziell hinterher. Dieses Mal ist es umgekehrt und sehr deutlich gewesen. Der 3-Monats-Euribor ging von seinem 52-Wochen-Hoch von 4 Prozent vergangenen Herbst bis 5. Juni 2024 auf 3,752 Prozent zurück. Kaum war am 6. Juni die Zinssenkung amtlich, schnellten die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen empor. Sie stiegen seit 5. Juni (Stichtag 11. Juni 2024) um 17 Basispunkte auf 2,67 Prozent.

Faktor Lohninflaton

Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass die Leitzinsen heuer unverändert bleiben, auch wenn es noch Resthoffnungen in Europa gibt (moderates Wachstum). In den USA hingegen ist Lohninflation genauso wie übrigens auch in Europa eine Gefahr. Im Unterschied zum Euroraum lag im ersten Quartal 2024 das BIP-Wachstum noch bei 2,9 Prozent. Die Stundenlöhne außerhalb der Landwirtschaft stiegen in den USA zuletzt um 4,1 Prozent.  Bleibt die Fed auf restriktivem Kurs, dann hat auch die EZB weniger Spielraum. Sonst würde sie zusätzliche Inflation über eine Abwertung des Euro zum US-Dollar riskieren, denn: Erdöl, Erdgas, die meisten Rohstoffe und wichtige Importwarten werden in US-Dollar fakturiert. Mit einem steigenden Dollar steigt in Europa die importierte Inflation. Bis September 2024 sieht es in den USA laut Fed-Fund-Future-Preisentwicklung nicht nach einer Leitzinssenkung aus und für die Fed-Sitzung am 18. September implizieren die Futurespreise in etwa eine 50:50 Chance auf einen kleinen Zinsschritt um 0,25 Basispunkte. Sechs Tage zuvor am 12. September entscheidet die EZB. Sie verfolgt einen Daten-orientierten Ansatz und lässt sich bezüglich möglicher Entscheidungen nicht auf bestimmte Zinsprognosen und Schritte festsetzen. Das macht die Sache spannend. Aber am Ende des Tages dürften Zinsenttäuschungen vorprogrammiert sein, denn vor allem die Dienstleistungspreise sind stark im Aufwind zumal in Europa die Lohnrunden zu kräftigen Personalkostensteigerungen führten.

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