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Erwartete EZB-Leitzinssenkung aber zukünftige Zinsschritte ungewiss

Kommentar von Michael Kordovsky

Am 12. September 2024 senkte die Europäische Zentralbank (EZB) den Zinssatz für die Einlagefazilität um 25 Basispunkte auf 3,50 Prozent. Das ist bereits die zweite Leitzinssenkung seit dem 6. Juni. Gleichzeitig wurde der Abstand zwischen dem Hauptrefinanzierungs- und dem Einlagezins auf 15 Basispunkte reduziert, was bedeutet, dass der Hauptrefinanzierungssatz auf 3,65 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz auf 3,90 Prozent festgesetzt wurden.  Diese Anpassungen treten am 18. September 2024 in Kraft. Die EZB setzt neben der Zinssenkung auch auf die Reduzierung ihrer Bestände aus dem Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) und dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP). Die monatliche Reduktion des PEPP-Portfolios um 7,5 Milliarden Euro wird bis Ende 2024 fortgesetzt. Dann wird die Wiederanlage der Tilgungsbeträge vollständig eingestellt.

Vorwegnahme der Leitzinssenkung

Der Markt hat diese Zinssenkung bereits im Vorfeld erwartet und eingepreist. So fiel der 3-Monats-Euribor, ein wichtiger Referenzzinssatz für Kredite, bereits zwischen dem 1. Juli und dem 12. September um 22,8 Basispunkte von 3,709 Prozent auf 3,481 Prozent. Der Rückgang zeigt, dass die Erwartungen der Marktteilnehmer bereits auf eine Lockerung der Geldpolitik hindeuteten, was die direkte Wirkung der Entscheidung auf die Zinsmärkte relativiert. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Zinsschritt vom Markt bereits vorweggenommen ist, war ein marginaler Anstieg des 3-Monats-Euribors am Tag der Bekanntgabe des Zinsschrittes.

Wirtschaftliche Schwäche im Euroraum aber Lohninflationsrisiko

Die Konjunkturprognosen der EZB signalisieren eine angespannte wirtschaftliche Lage. Das BIP-Wachstum für 2024 wird mit nur 0,8 Prozent prognostiziert, bevor es sich 2025 auf 1,3 Prozent und 2026 auf 1,5 Prozent erholen soll. Diese Prognosen wurden im Vergleich zu den vorherigen Schätzungen leicht nach unten korrigiert, was auf die schwache Binnennachfrage zurückzuführen ist. Gleichzeitig schwächelt die deutsche Wirtschaft, was mit ein wichtiger Grund für den jüngsten Zinsschritt ist. Trotz des Rückgangs der Gesamtinflation bleibt die Gefahr einer Lohninflation bestehen. Die Arbeitslosenquote im Euroraum liegt mit 6,4 Prozent auf einem historischen Tiefstand, was den Lohndruck erhöht. Dieser führte zu einer höheren Teuerung bei Dienstleistungen, was die Kerninflation auf einem höheren Niveau hält. Die EZB erwartet jedoch, dass die Kerninflation von derzeit 2,9 Prozent bis 2025 auf 2,3 Prozent und bis 2026 auf 2,0 Prozent zurückgeht. Die restriktiven Finanzierungsbedingungen sollen das Wirtschaftswachstum zwar dämpfen, aber auch einen Rückgang der Inflation begünstigen.

Datengetriebener Ansatz und zukünftige Zinspolitik

EZB-Präsidentin Christine Lagarde stellte klar, dass zukünftige Zinsschritte von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen werden und dass der EZB-Rat nicht an einen bestimmten Zinspfad gebunden ist, sondern von Sitzung zu Sitzung datenbasierte Entscheidungen treffen wird. Dazu aus der offiziellen Verlautbarung der EZB: „Die Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus durch den EZB-Rat wird auch in Zukunft von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung erfolgen. Seine Zinsbeschlüsse werden vor allem auf seiner Beurteilung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation sowie der Stärke der geldpolitischen Transmission basieren“.

Schlussfolgerung: Die nächsten Inflationsdaten, Arbeitsmarktdaten, Reden von EZB-Ratsmitgliedern und Konjunktureinschätzungen renommierter Institutionen könnten zu einer erhöhten Volatilität der Märkte führen, denn Lohninflationsrisiken stehen Signale einer schwachen Konjunktur im Euroraum gegenüber.

Halbjahres­ergebnis

Goldene Ehrennadel