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Kein Ende der Geschichte

von Mag. Christian Sec

Im Jahr 1989 erklärte der US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“. Er vertrat die Ansicht, dass nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums die Prinzipien des Liberalismus—Demokratie und freie Marktwirtschaft—sich als die besten aller Systeme erwiesen hätten und es dafür keine Alternativen mehr gäbe. Warum sollte es also noch eine Transformation geben, wenn die beste aller Welten bereits gefunden war? Irrtum schien keine Option, denn der Beweis war erbracht.

Dieser Zeitgeist führte in den 1990er-Jahren dazu, dass die Liberalisierung der Märkte vorangetrieben wurde. Das Prinzip lautete Deregulierung: mehr Markt und weniger Staat. Auch den postkommunistischen Ländern verordnete man eine Art „Schocktherapie“, um die Marktwirtschaft in Windeseile zu entfesseln. Der Internationale Währungsfonds (IWF) spielte dabei eine Schlüsselrolle, indem er unter strengen Auflagen Kredite an die wirtschaftlich angeschlagenen Staaten des ehemaligen Ostblocks vergab. Der IWF propagierte das Evangelium des Neoliberalismus, das die „Heilige Dreifaltigkeit“—fiskalische Austerität, Privatisierung und Marktöffnung—verkündete. Wie der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in seinem Buch „Die Schatten der Globalisierung“ bemerkt, hätte man in den 1990er-Jahren auf die Expertise des IWF verzichten können, wenn man einem Papagei diese drei Schlagworte beigebracht hätte. Der IWF betrachtete, so die Kritik des Nobelpreisträgers, diese Maßnahmen als Selbstzweck, ohne zu berücksichtigen, ob sie zu gerechterem und nachhaltigerem Wachstum führten. Der unerschütterliche Glaube an die Entfesselung des Marktes war so groß, dass der IWF die neoliberale Medizin mittels Schocktherapie jedem Staat verabreichte, ohne seine spezifischen Vorbedingungen zu beachten. Dies galt auch für Russland, das immerhin über 70 Jahre eine Planwirtschaft betrieben hatte, mit festgesetzten Preisen und ohne einen Inputmarkt, da Produktionsmittel zentral zugeteilt wurden.

Misslungene Schocktherapie

Die Folgen der Schocktherapie in Russland waren verheerend: 1989 lebten in Russland nur rund zwei Prozent der Bevölkerung in Armut, 1998 war diese Zahl auf fast 25 Prozent gestiegen. Zwischen 1990 und 1999 schrumpfte die Industrieproduktion um fast 60 Prozent, ein noch stärkerer Rückgang als das BIP selbst (54 %). Die kärglichen Ersparnisse der Bevölkerung wurden durch die Hyperinflation vernichtet. Um die Inflation zu bekämpfen, wurden die Zinsen drastisch erhöht, was jedoch private Investitionen abwürgte und die Binnennachfrage zum Erliegen brachte. Die Erlöse des Staates aus Privatisierungen und ausländischen Krediten wurden weitgehend veruntreut. Oligarchen, die Vermögenswerte zu Schleuderpreisen erworben hatten, verkauften diese später für Milliarden und brachten ihr Kapital ins Ausland. Die Konsequenz: Der Staat und ein Großteil der Bevölkerung verarmten. Die Unternehmen konnten keine Waren verkaufen und ihre Arbeiter nicht bezahlen. Die verheerenden Folgen des Liberalisierungsprojekts—eines radikalen und unbedachten Übergangs zur Marktwirtschaft, getrieben von einem fanatischen Glauben an den freien Markt und die Demokratie—ließen den Glauben an eine offene Gesellschaft in Russland erodieren und führten schlussendlich zurück zu einer de-facto-Diktatur. Der fanatische Glaube an das Ende der Geschichte machte blind für die Risiken eines Scheiterns und alternative Ausgänge. Schlussendlich hatte die Freiheit ihren Kredit durch das Leid der Bevölkerung aufgebraucht, und der Wunsch der Bevölkerung nach einer starken Hand wurde schließlich erhört.

Ende des ostasiatischen Turbokapitalismus

Auch in Ostasien zeigte sich in den 1990er-Jahren eine ungehemmte Lust zur Deregulierung der Märkte, vor allem im Bankensektor. Um von den günstigen Zinsen auf den internationalen Finanzmärkten zu profitieren, verschuldeten sich die Banken vielfach in US-Dollar und Yen mit kurzen Laufzeiten. Die Kreditvergabe an die inländischen Kreditnehmer erfolgte jedoch in einheimischer Währung und meist langfristig. So kam es zu gravierenden Unterschieden bei Laufzeit und Währung. Zudem sicherten die Banken ihr Risiko nicht durch Termingeschäfte ab, da sie auf die Stabilität der eigenen Währung gegenüber dem US-Dollar vertrauten. Die günstigen Kredite führten zu einer Kreditblase und einem Boom auf den Aktienmärkten, da mit den Krediten neben Immobilien auch häufig in Aktien investiert wurde, die ebenfalls als Sicherheit für die Kreditaufnahme anerkannt wurden. Als dann in Thailand durch Währungsspekulationen die Währung innerhalb eines Tages um 25 Prozent abwertete, war das Unheil nicht mehr aufzuhalten. Die Abwertungsspirale hielt an, und die Banken konnten ihre Kredite in Yen und Dollar nicht mehr bedienen. Der Staat verfügte nicht über genügend Währungsreserven, um den Absturz der Währung und gleichzeitig die Banken aus ihren Solvenzproblemen zu retten. Was folgte, war eine sich verstärkende Kapitalflucht, die einen Verfall der Vermögenswerte nach sich zog. Die thailändische Wirtschaft brach um zehn Prozent ein. Die Arbeitslosigkeit stieg in allen betroffenen ostasiatischen Ländern. Die Medizin, die der IWF den betroffenen Staaten verschrieb, war zuallererst eine Straffung der Geldpolitik, um den weiteren Verfall der Wechselkurse einzudämmen. Ein großer Teil der Hilfen (ca. 60 %) wurde zur Stützung des Währungskurses eingesetzt. Andererseits wurden beispielsweise in Indonesien Nahrungsmittel- und Brennstoffsubventionen für die Armen drastisch gekürzt, dem Dogma der Austerität folgend, was zu Unruhen führte und den IWF schließlich zur Umkehr bewegte.

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