Die Diskussion über die Unabhängigkeit der Federal Reserve (Fed) hat in den letzten Tagen neue Brisanz gewonnen. Senator Mike Lee kritisierte via X (ehemals Twitter) die Unabhängigkeit der Fed und argumentierte, dass gemäß der Verfassung jeder Zweig der Regierung dem Präsidenten unterstellt sei und erhielt prominente Unterstützung von Elon Musk. Hinter diesen Äußerungen steht eine Idee: die geldpolitische Autonomie der Fed zugunsten einer stärkeren politischen Kontrolle einzuschränken. Doch welche Auswirkungen hätte dies auf die US-Wirtschaft? Die Forschung, insbesondere eine Studie von Thomas Drechsel (Assistant Professor an der University of Maryland), liefert dazu alarmierende Antworten.
Drechsel-Studie: Daten und Ergebnisse
Die Studie von Thomas Drechsel analysiert, wie sich politischer Druck auf die Fed in der Vergangenheit ausgewirkt hat. Dafür nutzte Drechsel einzigartige Daten: detaillierte Tagespläne von US-Präsidenten aus den Presidential Libraries von 1933 bis 2016. Insgesamt erfasste er über 800 persönliche Interaktionen zwischen Präsidenten und Fed-Vertretern. Diese Interaktionen dauerten durchschnittlich 53 Minuten, wobei 36 % als persönliche Gespräche und 16 % in sozialen Kontexten (z. B. Abendessen) stattfanden. Dabei fanden 92 % der Interkationen mit dem Fed-Chairman statt.
Besonders auffällig war die Diskrepanz in der Häufigkeit: Präsident Nixon (1969 bis 1974) interagierte 160-mal mit der Fed, während es während der Clinton-Ära nur sechs solcher Begegnungen gab. Drechsel analysierte die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser politischen Einflussnahme und stellte fest:
Inflationstreiber: Politischer Druck führt zu einem dauerhaften Anstieg des Preisniveaus. Drechsel definierte einen Interaktionslevel weit über Durchschnitt aber noch unter dem Niveau von 17 Treffen pro Quartal Ende 1971. Dieser politische Einfluss drückt die Leitzinsen im Schnitt nach einigen Quartalen um rund einen Prozentpunkt. Die Reaktion des Preisniveaus auf die Einflussnahmen baut sich allmählich und anhaltend auf und erreicht nach vier Jahren ein um 5 % höheres Preisniveau. Diese Schätzungen implizieren dabei, dass ein politischer Druck, der nur halb so stark ist wie der von Nixon, über einen Zeitraum von sechs Monaten das Preisniveau in den USA dauerhaft um mehr als 8 % erhöht.
Keine Wachstumsimpulse: Der Druck erzeugt zwar monetäre Lockerung, beeinflusst jedoch das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht positiv. In einigen Fällen war der Effekt auf das Wachstum sogar negativ. Drechsel zeigt damit, dass politischer Druck auf die Fed primär inflationstreibend wirkt und kaum wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt – ein Ergebnis, das sich laut Drechsel mit bestehenden Erkenntnissen aus länderübergreifenden Studien über die Vorteile der Zentralbankunabhängigkeit deckt.
Trumps Agenda und die Unabhängigkeit der Fed
Donald Trump hat sich bereits in seiner ersten Amtszeit kritisch gegenüber der Fed geäußert und sogar öffentlich erwogen, den damaligen Vorsitzenden Jerome Powell zu entlassen. Nun könnte er seine Wiederwahl dazu nutzen, die Zentralbank stärker politisch zu kontrollieren. Allerdings ist seine unmittelbare Einflussmöglichkeit begrenzt: Die Amtszeiten der Fed-Mitglieder sind lang und nicht an den Wahlzyklus gekoppelt. Erst 2026 ergibt sich eine Chance, da der Vertrag von Fed-Direktorin Adriane Kugler ausläuft. Dann könnte ein Trump-Anhänger im Zentralbankrat der Fed einziehen. Im Mai 2026 läuft auch der Vertrag von Fed-Chef Powell aus.
Bis dahin bleibt Trump auf indirekte Strategien angewiesen, etwa die Mobilisierung öffentlicher Meinung gegen die Fed. Dabei spielt Elon Musk eine zentrale Rolle: Mit seinen 200 Millionen Followern auf X kann er Trumps Botschaften effektiv verstärken. Diese Dynamik könnte das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Fed und die Stabilität der Finanzmärkte gefährden.
Historische Lehren und potenzielle Konsequenzen
Die Unabhängigkeit der Fed ist kein Selbstzweck. Sie schützt die Geldpolitik vor kurzfristigen politischen Interessen und ermöglicht eine langfristige Stabilisierung der Wirtschaft. Die Nixon-Ära zeigt, welche Risiken politischer Einfluss mit sich bringt: Der Versuch, die Wirtschaft zur Wiederwahl zu stimulieren, führte in den 1970er-Jahren zu einer Inflationskrise, deren Nachwirkungen Jahre andauerten.
Trumps mögliche Interventionen könnten ähnliche Folgen haben. Sollte die Fed ihre Unabhängigkeit verlieren, wären inflationäre Schocks und erhöhte Unsicherheit wahrscheinlich. Dies würde nicht nur die US-Wirtschaft destabilisieren, sondern auch die globalen Märkte belasten, da der US-Dollar als Leitwährung eine Schlüsselrolle im internationalen Finanzsystem spielt.
Fazit: Ein gefährliches Machtspiel
Die Drechsel-Studie zeigt eindrücklich, dass politischer Druck auf die Fed langfristig schädlich ist. Trumps Ambitionen, die Zentralbank stärker zu kontrollieren, könnten Inflation und Unsicherheit befeuern, ohne das Wachstum zu fördern. Die Unabhängigkeit der Fed ist essenziell, um solche Risiken zu minimieren.