Die EZB ist nahe am Ziel, die Wirtschaft schwächelt und die (Leit)Zinsen purzeln voraussichtlich weiter nach unten. Darüber hinaus senkt die SNB überraschend ihren Schlüsselzins um 0,5 Prozentpunkte.
Am 12. Dezember beschloss der EZB-Rat die vierte Leitzinssenkung des Jahres. Alle drei Zinssätze wurden um 25 Basispunkte reduziert: Der Einlagezins liegt nun bei 3,00 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 3,15 % und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 3,40 %. Diese Schritte waren jedoch bereits erwartet, wie der 3-Monats-Euribor zeigt. Am 11. Dezember notierte dieser bei 2,888 %. Noch deutlicher signalisiert die Terminmarktkurve vom 2. Dezember die weitere Entwicklung: Bis Oktober 2025 könnte der 3-Monats-Euribor auf 1,62 % fallen, was bis zu sechs weiteren Leitzinssenkungen der EZB entsprechen würde. Die Inflation im Euroraum lag in den Monaten September bis November im Schnitt nur noch bei 2 %, während mittlerweile auch der Lohninflationsdruck nachlässt. Somit schreitet laut EZB-Chefin, Christine Lagarde, der Disinflationierungsprozess voran.
Die EZB revidierte ihre Inflationserwartungen für 2024 und 2025 leicht nach unten – auf 2,4 % bzw. 2,1 %. Für 2026 bleibt die Prognose bei 1,9 %, während für 2027 mit 2,1 % erstmals der Effekt des erweiterten EU-Emissionshandelssystems berücksichtigt wird. Die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) soll laut EZB von 2,9 % im Jahr 2024 auf 2,3 % in 2025 und schließlich auf 1,9 % in 2026 und 2027 sinken.
Konjunkturschwäche
Die sinkende Inflation wird durch die schwächelnde Konjunktur unterstützt. Eine Rezession in der Industrie und nachlassende Dynamik im Dienstleistungssektor begrenzen die Preissetzungsmacht der Unternehmen. Das BIP-Wachstum im Euroraum verharrte im zweiten und dritten Quartal bei mageren 0,5 % bzw. 0,9 % im Vergleich zum Vorjahresquartal. Die kurzfristige Erholung im dritten Quartal verlor aber zuletzt wieder an Schwung. Die EZB-Volkswirte senkten ihre Wachstumsprognosen: Für 2023 wird nur noch ein Plus von 0,7 % (statt 0,8 %) erwartet. Auch die Schätzungen für 2025 und 2026 wurden auf 1,1 % bzw. 1,4 % reduziert. Für 2027 rechnet die EZB mit einem Wachstum von 1,3 %. Diese Zahlen könnten sich jedoch weiter verschlechtern, falls ein Handelskonflikt zwischen den USA und der EU eskaliert. Letzterer wird auf breiter Front von Experten als Unsicherheitsfaktor gesehen. Angesichts dieser Tatsachen hat sich auch das Wording der EZB verändert.
Wording-Änderung
Noch am 12. September lautete eine wesentliche Aussage des EZB-Rats im „Monetary Policy Statement“: „Der EZB-Rat ist entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Inflation rechtzeitig zu ihrem mittelfristigen Ziel von 2 % zurückkehrt. Er wird die Leitzinsen so lange wie nötig ausreichend restriktiv halten, um dieses Ziel zu erreichen.“ 3 Monate später folgte folgende Abänderung: „Wir sind entschlossen, dafür zu sorgen, dass sich die Inflation nachhaltig bei unserem mittelfristigen Ziel von 2 % stabilisiert“. Dazu Lagarde: „Wir sind also derzeit restriktiv. In dieser Hinsicht gibt es keine Fragen. Und die Richtung, in die es gehen soll, ist derzeit sehr klar. Das Tempo, in dem dies geschieht, die Daten, die dafür ausschlaggebend sein werden, die Methode, die wir anwenden werden, die einzelnen Sitzungen, all das ist ziemlich klar. Aber, wissen Sie, es ist offensichtlich, dass wir schon sehr viel erreicht haben. Wir haben die Zinssätze bereits viermal gesenkt, insgesamt um 100 Basispunkte. Als Ergebnis dieser Entscheidung sind wir heute bei 3 % für die DFR [Deposit Facility Rate], und wir befinden uns in einem völlig anderen Umfeld. Wir kommen dem Ziel sehr viel näher. Wie ich bereits sagte, zeigen unsere Projektionen zum sechsten Mal in Folge eine Annäherung an 2 % im Jahr 2025. Wir sehen ein zweiseitiges Risiko für die Inflation. Das makroökonomische Umfeld, in dem wir unsere Entscheidungen treffen, unterscheidet sich also erheblich von den Tagen, als die Inflation sehr hoch war, wir viel zu tun hatten und das Inflationsrisiko einseitig war. Infolgedessen war es völlig legitim und natürlich, den Hinweis darauf zu streichen, dass wir lange genug restriktiv sein müssen, um das Ziel rechtzeitig zu erreichen. Das ist das andere Wort, das, wie Sie vielleicht bemerkt haben, aus unserer geldpolitischen Erklärung verschwunden ist: rechtzeitig“.
Schweizerische Nationalbank mit Leitzinssenkung um 0,5 Prozentpunkte
Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) senkt am 12. Dezember ihren Schlüsselzins zum vierten Mal in Folge – und das überraschend stark. Der Leitzins wird um einen halben Prozentpunkt auf 0,5 Prozent halbiert, außerdem sei man weiterhin bereit, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu sein. Zum Umfeld der Entscheidung im O-Ton der Medienmitteilung der SNB am 12. Dezember: „Der zugrundeliegende Inflationsdruck hat in diesem Quartal nochmals abgenommen. Mit der heutigen Lockerung der Geldpolitik trägt die Nationalbank dieser Entwicklung Rechnung. Die Nationalbank wird die Lage weiter genau beobachten und die Geldpolitik, wenn nötig anpassen, um sicherzustellen, dass die Inflation mittelfristig im Bereich der Preisstabilität bleibt. Die Inflation ist seit der letzten Lagebeurteilung erneut tiefer ausgefallen als erwartet. Sie sank von 1,1% im August auf 0,7% im November. Zu diesem Rückgang haben sowohl Waren als auch Dienstleistungen beigetragen“.
Fazit: Die Signale gehen alle in Richtung weiterer Leitzinssenkungen, sowohl im Euroraum als auch in der Schweiz.