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Über den Einzug des Frühlings, Dr. Heinrich Faust und die Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

von Thomas Beckstedt

Kurt und ich sitzen bei ihm Im Garten in einer sonnig warmen und windstillen Ecke, trinken italienischen Kaffee und rauchen teure kubanische Zigarren, während wir mit billigen Sonnenbrillen auf der Nase mit der Seele baumeln.

„Herrlich, nicht wahr?“, meint Kurt nach einer Weile.

„Ja“, erwidere ich mit geschlossenen Augen, das Gesicht der Sonne zugewandt. „Schöne Monate liegen jetzt vor uns. Der astronomische Frühling beginnt heuer zwar erst am 20. März, aber der meteorologische Frühling hat bereits am 1.3. Einzug gehalten. Endlich ist der Winter vorbei! Wir müssen jetzt nur aufpassen, dass wir nach dem gemächlichen Winterschlaf nicht zu sehr in die Frühlingsmüdigkeit verfallen.“ Kurzes Gähnen und „Ha-ha-ha“ ein leises Lachen.

Darauf Kurt völlig unerwartet:

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,

Im Tale grünet Hoffnungsglück;

Der alte Winter, in seiner Schwäche,

Zog sich in rauhe Berge zurück.“

 

Dann blickt er mich fragend an: „Weißt du, wer diese Verse geschrieben hat?“

„Klar doch“, antworte ich prompt. „Das ist der Anfang vom Osterspaziergang aus Goethes Faust. Musste ich in der Schule einmal auswendig lernen. Aber ich weiß nicht mehr so recht, wie der Text weitergeht. Und du …?“ Kurt schüttelt den Kopf. „Ist auch bei mir schon länger her, dass ich Faust gelesen habe, doch ich weiß, dass am Ende des Osterspaziergangs der berühmte Satz kommt:

Hier bin Mensch, hier darf ich‘s sein.“

„Richtig“, sage ich. „In Faust gibt es überhaupt viele Passagen, die wohlbekannt sind.“ Und nach kurzer Erforschung meines Erinnerungsvermögens beginne ich aus dem Gedächtnis den Anfangsmonolog von Dr. Heinrich Faust zu zitieren:

„Habe nun, ach! Philosophie,

Juristerei and Medizin,

Und leider auch Theologie

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Da steh‘ ich nun, ich armer Tor,

Und bin so klug als wie zuvor!“

„Bravo!“, Kurt applaudiert. „Unsere Schulzeit war offenbar doch nicht ganz umsonst. Goethe hat einen bedeutenden Text verfasst, der, wie mir scheint, noch immer tiefsinnige Gültigkeit hat. Man muss sich ja nur all die Narren ansehen, die auf dieser Welt herumlaufen und diese leider oft auch regieren oder zumindest maßgeblich beeinflussen.“

„Tja, deswegen haben wir uns ja auch die künstliche Intelligenz erfunden …“

„Nun“, sagt Kurt, „ich sehe schon auch viele positive Aspekte an der KI-Entwicklung – und vielleicht sollten die USA ihre beträchtlichen KI-Kapazitäten dazu nutzen, um herauszufinden, wem die massiven US-Zölle, die jetzt im Raum stehen, mehr schaden: Amerika oder allen anderen.“

„Also ich weiß nicht“, beginne ich zu seufzen. „Falls sie das künstliche Computergehirn mit politischen Entscheidungen befassen, kommt es unter Umständen zum Schluss, dass es doch besser ist, Mexiko zu bombardieren und ein paar Panzerdivisionen über die Grenze zu schicken, um das tatsächlich erschreckende Fentanyl-Problem der USA ein für alle Mal zu lösen.“

„Deine Bedenken sind nicht unbegründet“, stimmt Kurt zu, „so aggressiv wie sich einige in der US-Führungsschicht präsentieren …“ Er unterbricht sich und nach einem tiefen Atemzug sagt er: „Erinnerst du dich noch, was Mephisto zu Faust sagt, nachdem dieser ihn fragt, wer er sei?“

Ich schüttle den Kopf.

„Mephistos berühmte Antwort lautet:

 Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“

„Ziemlich rätselhaft“, erwidere ich langsam, „denn eigentlich läuft es auf unserem Planeten ja meist umgekehrt und man müsste sagen: Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft! – Wer bereit ist, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, wird einräumen müssen, dass das größte Unheil in der Menschheitsgeschichte oft von denen angerichtet wurde, die das absolute Gute auf ihre Fahnen geschrieben haben.“

Kurt nickt und schweigt eine Weile. Schließlich sagt er:

„Heinrich, mir graut vor dir!

Dies sind Gretchens letzte Worte an Faust, als er sie im Gefängnis besucht und sie sich entsetzt von ihm abwendet, als sie Mephisto hinter ihm auftauchen sieht. Ich denke jetzt an die 12 bis 15 mächtigsten Politiker und Politikerinnen auf dieser Welt: Niemand von ihnen heißt Heinrich mit Vornamen oder gar Mephisto. Aber einigen von ihnen würde ich in Anlehnung an Gothes Faust gerne unter vier Augen folgendes sagen:

Alter Falter, mir graut vor dir!“

Thomas Beckstedt

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