„Ich wusste gar nicht, dass du Golf spielst …?“ Ich sehe Kurt verwundert an. Wir haben uns zum Essen im Restaurant eines sehr schön gelegenen und nicht weit entfernten Golfclubs verabredet. Aber weil ich etwas zu früh vor Ort bin, rufe ich Kurt an und da sagt er mir, dass er noch auf der Driving Range sei.
„Willst du auch ein paar Bälle probieren?“, fragt Kurt, als er mich sieht.
„Nein, aber ich schau dir gerne ein wenig zu.“
„Tja“, meint Kurt, als er sich in Position bringt, um den Ball zu spielen, „es ist schon über 10 Jahre her, als ich mir einbildete, die Platzreife zu machen. Ich habe die Prüfung auch bestanden, am Ende jedoch nur selten gespielt.“
„Und jetzt …? Wieso fängst du jetzt wieder an?“
Kurt grinst. „Nun, wie man so hört, ist Donald Trump ein begeisterter Golfer und verbringt viel Zeit mit diesem Sport. Selbst unlängst, als er mit der Ankündigung von enormen Zöllen gegen alle möglichen Länder die Börsen an den Rand des Abgrundes brachte, verabschiedete er sich hinterher nach Florida, um ausgiebig Golf zu spielen. Zoll-Hammer und Börsencrash! Ach, was solls! Wenn man in vertrauter Umgebung ein paar gute Bälle spielen kann, ist das alles halb so wild.“
Kurt holt mit dem Schläger aus und – ZACK! Ihm gelingt ein ausgesprochen guter Abschlag. „Alle Achtung!“ Ich applaudiere. „Dieser Ball war nicht übel.“
Kurt nickt. „Weißt du, manche von Trumps Ideen kann ich einfach nicht nachvollziehen, und indem ich wieder Golf spiele, so hoffe ich zumindest, gelingt es mir unter Umständen, mich seiner Gedankenwelt anzunähern. Also: Wenn ich über den Rasen von einem Loch zum nächsten marschiere, stelle ich mir vor, ich sei Donald Trump, der begleitet von ein paar superreichen Freunden und engen Beratern das Spiel im sonnigen Florida genießt, während er seine nächsten Schritte als Präsident überlegt. Vielleicht verstehe ich ja mit diesem Experiment ein wenig, was in seinem Kopf vor sich geht.“
„Also ich weiß nicht“, erwidere ich skeptisch. „Trump ist sprunghaft und äußerst impulsiv. Erst Zölle für alle und dann doch wieder nicht: 90 Tage Pause! Wer soll sich da noch auskennen?“
Kurt legt sich den nächsten Ball zurecht. „Auch ich habe den Überblick verloren, jeden Tag eine neue Schlagzeile. 145% Zoll auf alle in China produzierte Waren. Wow, da haben alle gestöhnt …“
Ich schüttle den Kopf. „Seit heute, den 13. April, gibt es Ausnahmen von diesen Zöllen, für Smartphones, Laptops und so weiter.“
„Ehrlich?“, fragt Kurt und ich nickte. „Nun ja“, meint er dann, „wahrscheinlich haben sie bei Apple und Co einen Schreikrampf bekommen. Apple produziert jede Menge in China, unter anderem 90% aller iPhones. Trumps Zölle wären nicht gut für das Geschäft von Apple in USA gewesen. Dennoch stelle ich mir die Frage, wie man auf die Idee von Zöllen von 145% gegen China kommen kann.“
„Das hat sich hochgeschaukelt“, erwidere ich. „Trump erhöht die Zölle, China lässt sich nicht einschüchtern und zieht nach. Trump legt noch eine Schippe drauf und so weiter. Am Ende standen wir bei 125% chinesischer Gegenzölle als Antwort auf die 145% von Trump. Jetzt gibt es, wie gesagt, Ausnahmen. Aber das kann sich in wenigen Stunden wieder ändern. Wer weiß das schon.“
Darauf Kurt. „China war Trump schon immer ein Dorn im Auge, das ist kein Geheimnis, und soweit ich mich erinnere, hat er diese extrem hohen Zölle unter anderem damit begründet, dass China respektlos gewesen sei, indem es auf US-Zölle mit Gegenzöllen reagiert hat. Wie konnten sie nur! China ist respektlos gegenüber Amerika und deswegen muss es bestraft werden! Das ist die Logik: Zeige Respekt oder werde vernichtet!“
Ich muss kurz lachen. „Erinnert mich ein bisschen an die diversen Straßengangs und die Mafia. Die Gangmitglieder bringen sich ja auch gegenseitig um, wenn der Typ von der anderen Gang schief schaut oder etwas Falsches sagt. Und wenn du dem obersten Mafiapaten nicht den nötigen Respekt erweist, nageln dich seine Killer durch die Kniescheiben auf die Dielen.“
„Guter Vergleich“, sagt Kurt und schließt seine Augen. Dann seufzt er tief und spricht mit völlig veränderter Stimme, als wäre er in Trance gefallen. „Ich glaube jetzt zu wissen, wie Trump auf die Idee mit den Zöllen von 145% gegen China gekommen ist. Ich kann es in meinem Geist wie in einem Film vor mir sehen: Trump spielt Golf, aber es läuft nicht gut. Pete Hegseth, der aktuelle Pentagon-Chef, und ein paar andere sind mit von der Partie. Trump schimpft laut über die erbärmlichen Europäer und alle jene Länder, die Amerika seit Jahrzehnten ausnutzen und schlecht behandeln: Lauter Schmarotzer! Amerika zahlt die Rechnungen und jetzt hocken wir auf einem riesigen, beschissenen Schuldenberg. Gottverdammt! Trump flucht weiter und als seine Gedanken zu China springen, bekommt er vor Ärger fast einen Herzinfarkt. Er atmet tief durch und wendet sich an Pete Hegseth: Sag, Pete, wie weit ist das nächste Loch von uns entfernt? Ich schätze 150 bis 160 Meter, aber ich will es genau wissen. Pete, der ehemalige Frontsoldat und nun Herr über die tödlichste Armee aller Zeiten, ist stets gut vorbereitet. Er lässt sich von seinem Leibwächter, der früher als CIA-Killer gejobbt hat, einen Laserentfernungsmesser geben. Pete misst die Entfernung. 144,87 Meter, Mr. Präsident, sagt er schließlich. Okay, erwidert Trump. Wenn ich jetzt ein Hole-in-One schlage, erspare ich den Chinesen Zölle über 100%. Wenn nicht, dann gelten demnächst 145 %. – Großartig! Alle, die Trump begleiten, applaudieren euphorisch. Selbst die stets allgegenwärtigen Leute vom Secret Service sind glücklich, einer muss vor Freude sogar weinen. Trump schlägt den Ball, der nur wenige Zentimeter neben dem anvisierten Loch zum Liegen kommt. So ein Mist, knurrt Trump, das kommt die Chinesen jetzt teuer zu stehen! – Ganz Ihrer Meinung, Mr. Präsident, erwidert Pete Hegseth pflichtbewusst, und dann will er wissen, ob er auch schon die Bomber auftanken soll.“