Nach der Finanzkrise 2008, als Nationalbanken die Märkte mit ausreichend Kapital versorgten, war davon für Versicherungsunternehmen reichlich und günstig verfügbar. Dies führte zu einem sogenannten „Soft Market“, auf dem Versicherer um Industrierisiken buhlten und den Unternehmen ihre Kapazitäten zu sehr attraktiven Konditionen anboten. Viele Unternehmen sahen daher keinen Anlass, über eine erhöhte Beteiligung an der Finanzierung ihrer eigenen Risiken nachzudenken, da die Versicherer diese auch bei relativ niedrigen Selbstbehalten zu günstigen Preisen übernahmen.
In den letzten Jahren haben wir jedoch einen sich verhärtenden Versicherungsmarkt, insbesondere im Bereich der Sachversicherung, beobachten müssen. Unternehmen stehen vor schwierigen Vertragserneuerungen und müssen teilweise massive Prämienerhöhungen sowie verschlechterte Deckungsbedingungen in Form von höheren Selbstbehalten, niedrigeren Limiten oder gar Deckungsausschlüssen in Kauf nehmen. Die Platzierung großer Versicherungsprogramme mit substanziellen Limiten zu angemessenen Preisen wird für Versicherungseinkäufer und -berater zu einer immer größeren Herausforderung.
In einer solchen „Hard Market“-Phase sollten sich die Versicherungsverantwortlichen in den Unternehmen vermehrt Gedanken über eine Optimierung der Risikofinanzierungsstruktur machen. Im Vordergrund steht die Überlegung, ob durch eine erhöhte Eigentragung eine Reduktion der gesamten Risikokosten erreicht werden kann. Hierzu empfiehlt sich in der Regel ein zweistufiges Vorgehen.
- Evaluierung der optimalen Höhe der Eigentragung unter Berücksichtigung der individuellen Risikotragfähigkeit
Bei der Bestimmung der optimalen Risikofinanzierungsstruktur eines Unternehmens geht es darum, die kosteneffizienteste Kombination aus Risikotransfer (durch den Versicherer übernommene Schäden) und Selbstfinanzierung (durch das Unternehmen getragener Teil der Schäden) zu finden. Grundsätzlich gilt, dass die vom Versicherer berechnete Prämie sinkt, je höher der gewählte Selbstbehalt ist. Da sich die Prämie des Versicherers aus dem Erwartungswert der im Durchschnitt zu bezahlenden Schäden, den Kosten für die Kapitalunterlegung sowie seinen Administrationskosten zusammensetzt, ist die Beziehung zwischen Höhe der Eigentragung und der erhaltenen Prämienreduktion nicht linear. Dies liegt daran, dass der Erwartungswert im Bereich der häufig anfallenden Kleinschäden höher ist und mit steigenden Schadenhöhen im Verhältnis abnimmt.
Das Ausmaß der Prämienreduktion, die der Versicherungsnehmer für seine Risikoübernahme erhält, nimmt mit zunehmender Höhe der gewählten Eigentragung ab. Gleichzeitig steigt die Schwankungsbreite (Volatilität) innerhalb der übernommenen Eigentragung durch die zunehmende Exponierung in der Finanzierung von teureren Schäden – Schäden, für welche das Unternehmen Eigenkapital bereithalten muss, um die Bezahlung auch in einem schadenträchtigen Jahr sicherzustellen. Mit zunehmender Eigentragung steigen daher der Eigenkapitalbedarf zur Finanzierung der Volatilität und damit auch die Kapitalkosten des Unternehmens überproportional an.
Zur Bestimmung der Kosten der Eigentragung wird typischerweise auf versicherungsmathematische Methoden und stochastische Simulationsmodelle zurückgegriffen, die sich an der historischen Schadenerfahrung bzw. an Benchmark-Daten orientieren. Die Modelle werden so parametrisiert, dass sie das aktuelle Risikoprofil der Unternehmung möglichst akkurat wiedergeben – sowohl für durchschnittliche Erwartungswerte als auch für die Volatilität im Bereich der Großschäden. Gleichzeitig sind Versicherungsberater gefordert, Prämienangebote für mögliche alternative Eigentragungsvarianten vom Versicherungsmarkt einzuholen. Dies ermöglicht einen Kostenvergleich zwischen Eigentragung und Risikotransfer für verschiedene Programmstrukturen.