Wer Bitcoin verstehen will, muss bereit sein seine eigenen Meinungen zum Thema Bitcoin auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Derart über seinen eigenen Schatten zu springen, ist gar nicht leicht. Erst recht, weil es uns Bitcoin nicht einfach macht. Im Gegenteil: Es fordert unser intuitives Verständnis von Geld und Wert heraus. Obwohl ich mein Berufsleben seit Jahrzehnten in den Finanzmärkten verbrachte, habe ich mich lange hinter meinen eigenen Vorurteilen gegenüber Bitcoin versteckt. Schlichtweg weil ich es nicht verstand. „Warum sollte Bitcoin etwas wert sein?“ habe ich mich gefragt. „Ein Pyramidenspiel par excellence“ war ich überzeugt. Mit „Ein Stromfresser ohne echten Nutzen“ schloss ich meine „Analyse“ ab. Was mich letztendlich bewogen hat dieses Urteil einer eingehenderen Prüfung zu unterziehen, war die Tatsache, dass Bitcoin nach massiven Kursstürzen von teilweise mehr 80 Prozent jedes Mal noch erfolgreicher zurückkehrte.
Was sehen die, was ich nicht sehe?
Bei Pyramidenspiele ist das nämlich anders. Diese erholen sich nach dem Zusammenbruch nicht und erreichen im Gegensatz zu Bitcoin erst recht keine neuen Höchststände. Wie war das möglich? Auch fiel mir auf, dass Freunde und Bekannte aus Ländern mit notorisch schwachen Währungen (wie Argentinien oder der Türkei) Bitcoin weit aufgeschlossener gegenüberzustehen schienen. Erkannten sie eine Qualität, die ich übersah? Gründe und Fragen genug, um tiefer in die Materie einzutauchen, um herauszufinden, was es mit diesem „magic internet-money“ auf sich haben könnte.
Der Ursprung: Vertrauen, das erschüttert wurde
Bitcoin entstand Anfang 2009. Die Finanzwelt taumelte nach dem Lehman-Kollaps, Notenbanken schufen aus dem Nichts Geld, Regierungen retteten Banken, während Sparer fragten: „Was ist mein Geld eigentlich noch wert?“ In diesem Klima veröffentlichte ein Unbekannter mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein elektronisches Peer-to-Peer-Zahlungssystem. Der erste sogenannte Block der Bitcoin-Blockchain enthält sogar einen direkten kritischen Hinweis auf eine Schlagzeile der Times zur Bankenrettung – nicht aus Zufall, sondern als Signal, dass too-big-to-fail nicht mehr passieren darf.
Technisches Fundament: Blockchain, Dezentralität, Proof of Work
Bitcoin funktioniert über eine sogenannte Blockchain – eine Art Kontobuch, das jede einzelne Transaktion chronologisch, fälschungssicher und für jeden einsehbar speichert. Das Besondere: Es gibt keinen zentralen Betreiber, keine Institution, die „genehmigen“ muss. Konsens entsteht durch Mathematik und Rechenleistung (Proof of Work). Kein Mittelsmann, keine Bank, keine Institution gibt diese Transaktionen frei oder hat die Möglichkeit diese zu zensieren. Ein dezentrales System, das auf zehntausenden Computern valide gehalten wird und niemanden ausschließt.
Bitcoin als Alternative zum staatlichen Geld/Wertspeicher
„Aber wo ist das Problem, wenn eine Zentralbank oder eine Regierung auf unsere Währung aufpasst?“ mögen Sie jetzt fragen. Dann sehen wir uns doch einmal an, was diese Institutionen mit dem Euro, dem Dollar und allen anderen Währungen machen, auf das sie aufpassen sollen. Faktisch alle verlieren Jahr für Jahr an Kaufkraft. Manche schneller (siehe türkische Lira oder argentinischer Peso) und manche langsamer (siehe Euro oder Dollar). Uns allen ist noch die sog. Nullzinspolitik in Erinnerung, die sogar Sparer real jedes Jahr ärmer werden ließ. Bedeutet dies, dass wir von Euro auf Bitcoin umsteigen sollen, um unsere Mieten, Kredite oder Einkäufe zu bezahlen? Keineswegs, aber die maximale Obergrenze von 21 Millionen Bitcoin könnte für all jene, die ihr Geld längerfristig vor Entwertung und dem Aufblasen der Geldmenge schützen wollen, ein willkommener Anker darstellen.
Bitcoin ist kein Geld – aber ein Asset
Wer Bitcoin als Währung betrachtet, ist schnell enttäuscht: Als Zahlungsmittel ist Bitcoin zu langsam, teuer und – in Euro gerechnet – volatil. Auch die Allgemeinakzeptanz ist minimal. Betrachtet man Bitcoin jedoch als knappes digitales Gut, das Wert über Zeit speichern kann, wird es spannender. Denn viele seiner Eigenschaften erinnern an Gold in digitaler Form. In einer zunehmend digitalisierten Welt könnte das langfristig relevant und wertsteigernd sein.
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