In den letzten Jahren zeigte sich die Dynamik der Versicherungsbranche besonders im Underwriting bei Industrie- und Gewerbeversicherungen: Vertriebspartner gerieten zunehmend unter Druck, denn immer mehr Versicherer ziehen sich aus dem Bereich zurück. In einer Studie des BDVM bewerten 47 Prozent der befragten Makler die Absicherung von Industriekunden heute als schwierig, weitere 29 Prozent als sehr schwierig. Die Risiken sind komplex und eine vollumfängliche Risikobewertung oftmals aufwendig und arbeitsintensiv. So bieten Versicherer oft nur noch Schutz mit höherer Selbstbeteiligung oder zu strengeren Bedingungen an – zum Verdruss der potenziellen Kunden wie auch der Vertriebspartner.
KI als Brückenbauer: Von strengen Bedingungen zu profitablen Risiken
Komplexe Risiken sind das tägliche Geschäft in Gewerbe- und Industrieversicherungen – und genau hier stoßen klassische Prüfprozesse oft an ihre Grenzen. Underwriter müssen riesige Datenmengen und umfangreiche Unterlagen auswerten, um ein belastbares Urteil zu fällen. Jedoch könnten künftig KI-gestützte Tools diesen Prozess durch generierte Übersichten und Zusammenfassungen deutlich beschleunigen. Die ersten Lösungen stehen in den Startlöchern und sollten alsbald auf den Markt kommen.
Das Potenzial ist erheblich: Schon immer brauchte es bei komplexen Risiken jemanden, der sicherstellt, dass alle Anforderungen der Versicherer erfüllt werden – und dem Antragssteller im Zweifelsfall erklärt, welche Daten und Unterlagen nötig sind. Doch mit zunehmend strengen Zeichnungsrichtlinien ziehen sich viele Anbieter zurück. Damit sinkt die Bereitschaft, anspruchsvolle Risiken zu zeichnen.
Ein entscheidender Faktor für die Zukunft der Industrie- und Gewerbeversicherung werden Vertriebspartner oder Underwriter sein, die zwischen Reglement und Realität vermitteln und die Chancen hinter komplexen Daten sichtbar machen. Wer diese Brücke schlägt, kann in einem schwieriger werdenden Markt Angebot und Nachfrage zusammenbringen – und damit profitable Risiken identifizieren, die andere aufgrund ihrer Komplexität längst abgeschrieben haben.
Die Risikoprüfung von morgen
Abseits dieser Zwickmühle eröffnet neue Technologie jedoch auch bei einfacheren Fällen großes Optimierungspotenzial. Gerade bei einfacheren Risiken wünschen sich Vertriebspartner Werkzeuge für eine schnelle und unkomplizierte Risikoprüfung, etwa in Form von Online-Tools. Ein vielversprechender Ansatz ist es daher, den Underwriting-Prozess insgesamt stärker mit datenbasierten Analysemöglichkeiten auszustatten. KI-Technologien machen diese nun leichter verfügbar.
Hinzukommt, dass Vertriebspartner ein vollständiges 360-Grad-Risikoprofil erstellen können, wenn strukturierte Daten aus unterschiedlichsten Quellen gebündelt werden. Das steigert die Entscheidungsqualität – unabhängig davon, ob es sich um einfache oder komplexe Risiken handelt. Besonders bei anspruchsvolleren Fällen ließe sich diese Technik nutzen, um Umfeldrisiken präziser einzuschätzen. Dazu zählen etwa Abhängigkeiten von Lieferketten oder andere externe Faktoren, die die Profitabilität einer Police beeinflussen können.
Somit kann bei sowohl hochkomplexen Industrie- und Gewerberisiken als auch bei einfacheren Fällen Technologie den Underwriting-Prozess spürbar verbessern. KI-gestützte Lösungen, erweiterte Datenanalysen und strukturierte Informationen aus vielfältigen Quellen bieten die Chance, Risiken fundierter einzuschätzen und trotz steigender Komplexität attraktive Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren.
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