Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen
Eine bemerkenswerte Veränderung vollzieht sich im Immobilienmarkt des Euroraums. Seit dem vierten Quartal 2022 haben die Wohnimmobilienpreise in der Region deutlich nachgelassen. Einer Spitzenbewertung von 146,19 Punkten im dritten Quartal 2022 folgte ein Rückgang auf 143,76 Punkte im vierten Quartal. Dies entspricht einem Minus von 1,7 Prozent.
Die verwendeten Daten stammen aus einem von Eurostat erstellten Hauspreisindex (HPI), der auf einer BIP-Gewichtung der nationalen Hauspreisindizes zu Marktpreisen basiert. Die einzelnen nationalen Hauspreisindizes, die von nationalen Statistikämtern bereitgestellt werden, messen die Preisentwicklung aller von Haushalten erworbenen Wohnimmobilien – sowohl Neu- als auch Altbauten. Betrachtet man die gesamte EU, so waren die Hauspreise in 15 von 26 Mitgliedstaaten rückläufig. Der Quartalsrückgang lag insgesamt bei 1,5 Prozent, dem stärksten Rückgang seit dem ersten Quartal 2009 (damals -1,9%).
Unterschiedliche Entwicklungen
Diese Entwicklung ist allerdings nicht gleichmäßig über die Länder verteilt. Während Länder wie Kroatien (17,3 %), Estland (16,9 %), Ungarn (16,5 %) und Litauen (16 %) noch starke jährliche Preissteigerungen aufweisen, sind andere Länder bereits von sinkenden Preisen betroffen. Dänemark (-6,5 %), Schweden (-3,7 %), Deutschland (-3,6 %) und Finnland (-2,3 %) gehören zu den Ländern, die einen Rückgang der Hauspreise im vierten Quartal 2022 verzeichnet haben. Die zugrundeliegenden Gründe für diese Veränderungen sind komplex. Kroatien erlebt wegen des Eurobeitritts einen Nachfrageschub nach Freizeitwohnsitzen ausländischer Touristen. Nach Estland wandern immer mehr teils wohlhabende Russen aus, die wegen Gefahr eines Einberufungsbefehls zum Ukrainekrieg dort ihre Zeit verbringen. Hingegen die Rückgänge in Dänemark, Schweden und Finnland hängen mit einer hohen Verschuldung der Immobilienkäufer zusammen, die unter steigenden Zinsen leiden.
Wie könnte es weitergehen?
Abgeleitet aus einer Publikation der Europäischen Zentralbank könnte der Rückgang der Wohnimmobilienpreise im Euroraum bis Sommer 2025 zwischen 20 bis 25 Prozent betragen. Es geht um folgende Publikation der EZB: „The impact of rising mortgage rates on the euro area Housing Market“ (N. Battistini, J. Gareis, M. Roma, ECT Economic Bulletin 6/22). Darin wurden für den Zeitraum Q1 1995 bis Q4 2019 die geglätteten Semi-Elastizitäten von den Häuserpreisen und Häuser-Investments auf eine Erhöhung der Hypothekarkreditzinsen um einen Prozentpunkt erörtert. Das Ergebnis deutet auf noch genügend Preisspielraum nach unten hin:Da die jüngsten Zinsanstiege von sehr niedrigem Zinsniveau ausgingen, könnten diesmal die Auswirkungen etwas stärker sein. Für Anstiege ausgehend von einem Hypothekarkreditzins von unter 4,5 Prozent gilt nämlich: Nach einem Anstieg der Hypothekarkreditzinsen um einen Prozentpunkt kommt es binnen zwei Jahren zu einem Preisrückgang um 9 Prozent. Deshalb könnte bis Sommer 2025 im Euroraum ein Rückgang der Wohnimmobilienpreise von 20 bis 25 Prozent ausgehend vom Peak im dritten Quartal 2022 folgen, sofern nicht erneute Leitzinssenkungen der EZB und im Vorfeld bereits ein Rückgang der Zinsen am langen Ende entgegensteuern.