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Über den olympischen Triathlon in Paris 2024 und „Im Wasser der Seine“

von Thomas Beckstedt

Kurt und ich verfolgen die Sommerolympiade nur am Rande, aber das eine oder andere interessiert uns doch. Schließlich ist dieser Event ein äußerst ehrgeiziges Prestigeprojekt der französischen Regierung, was durch die bombastische, aber irgendwie übertrieben anmutende Eröffnungszeremonie unterstrichen wurde. Merkwürdig haben wir auch gefunden, dass sich die Veranstalter darauf versteift haben, Schwimmwettbewerbe in der Seine auszutragen …

„Ich war inzwischen ein paar Mal in Paris“, erklärt Kurt, „und jedes Mal habe ich diese Stadt als überdurchschnittlich schmutzig wahrgenommen, mit viel Müll auf den Straßen und den Rinnsteinen. Und dann stellt man sich natürlich die Frage, warum sie ausgerechnet in der Seine, die durch diese große Stadt fließt, die Sportler schwimmen lassen wollen.“

„Nun ja“, erwiderte ich, „wie man so hört, hat Paris über eine Milliarde Euro investiert, um die Wasserqualität der Seine zu verbessern.“

„Was aber nur mit Einschränkung gelungen ist, wie wir inzwischen wissen. Einige Sportler haben die Wasserqualität wiederholt kritisiert und nach etwas Regen, der offensichtlich eine große Menge unaussprechbarer Dinge aus den Kanälen in die Seine gespült hat, mussten Schwimmbewerbe wiederholt verschoben werden, bis endlich die Experten die Wasserqualität nach nur wenigen Stunden wieder für hinreichend gut befanden.“

„Erstaunlich, was hochbezahlte Experten leisten“, merke ich sarkastisch an.

„In der Tat! Ich habe mir aus Neugier vor ein paar Tagen die Aufzeichnung des Triathlons der Damen vom 31.7. angesehen, weil ich wissen wollte, wie die Kommentatoren mit dieser Situation umgehen, aber ich hörte nicht viel Neues. Sie meinten, ja, es habe wegen des Regens wohl ein paar Probleme gegeben, aber nun hätten die Veranstalter wieder alles im Griff.“

„Tja“, ich zucke mit den Schultern.

„Interessant bei besagtem Triathlon fand ich auch, dass das Radrennen nach dem Schwimmen mitten durch die Stadt über Straßen ging, die zu 25% aus Kopfsteinpflaster bestehen, wie die Kommentatoren anmerkten. Die schlechte Straßenqualität konnte man auch im Fernsehen deutlich sehen und es gab mindesten ein Dutzend Stürze auf der regennassen, schlechten Fahrbahn. Die Kommentatoren gaben sich bestürzt und ehrlich erstaunt über die vielen Stürze, aber dass eine Streckenführung über derartige Straßenverhältnisse im Grunde verantwortungslos ist, erwähnten sie kein einziges Mal.“

„Vermutlich eine Order von oben: Keine unnötigen politischen Kommentare und keine Kritik an den Veranstaltern! Frei nach dem Motto: Dieser Event muss absolut positiv sein!“

„Apropos Seine und ihre Wasserqualität“, fährt Kurt fort. „Hast du zufällig den kürzlich erschienen Film ‚Im Wasser der Seine‘ gesehen?“

„Nö!“ Ich schüttle den Kopf.

„Echt sehenswert“, meint Kurt, „und es gibt ein paar auffällige Parallelen zum aktuellen olympischen Triathlon. Hier die Kurzfassung: ‚Im Wasser der Seine‘ geht es darum, dass ein durch die Umweltverschmutzung mutiertes Haiweibchen, das besonders schnell wächst, die Seine hinaufschwimmt, um sich in irgendwelchen unterirdischen Katakomben von Paris fortzupflanzen. Eine Gruppe aus Umweltaktivistinnen, einer Meeresforscherin und einigen Flusspolizisten warnen die Bürgermeisterin von Paris vor der drohenden Haigefahr. Aber die Bürgermeisterin will davon nichts hören, weil sie einen international bedeutsamen Triathlon mit Schwimmen in der Seine organisiert hat und milliardenschwere Investitionen in Gefahr sieht.“

„Oh, ich verstehe“, beginne ich zu grinsen.

„Nun ja, die Bürgermeisterin, eine höchst selbstgefällige Person, will den Event unbedingt durchziehen und zu einem fulminanten Pariser Fest machen. Dafür lässt sie auch die Obdachlosen, die an den Ufern der Seine campieren, entfernen.“

„Wurde aktuell ja auch gemacht“, werfe ich ein. „Der Film ist bis auf den Hai ja fast eine Dokumentation …

Kurt muss ein wenig lachen, ehe er fortfährt. „Ja, und weil die lästigen Typen von der Flusspolizei mit der Haigefahr keine Ruhe geben, überträgt die Bürgermeisterin die Sicherheit für den Triathlon kurzer Hand dem Militär.“

„Fast wie im wirklichen Leben!“, sage ich laut. „Wenn etwas nicht so läuft, wie man es gerne hätte, holt man die hartgesottenen Sturmtruppen mit schwerem Gerät. Ich nehme an, die Sache geht am Ende ziemlich übel aus. Richtig?“

„So ist es: Die Bürgermeisterin startet in strahlendem Selbstbewusst und mit viel Eigenlob den Triathlon. Die Athleten schwimmen – so auch der Hai. Es kommt zum Massaker unter den Schwimmern und die Soldaten greifen ein. Sie eilen mit Schnellbooten heran und schießen aus allen Rohren auf den Hai. Aber sie treffen ihn nicht, zumindest nicht tödlich, dafür treffen sie die Granaten am Grund der Seine, Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg. Rums! Alles explodiert und ein paar Seine-Brücken gehen spektakulär in die Luft. Außerdem wird irgendein Wasserbecken, auf das im Film nicht näher eingegangen wird, zerstört und eine gigantische Flutwelle überschwemmt das Zentrum von Paris.“

„Ja, und weiter? Was ist die Pointe.“

„Tja, die Pointe ist, dass die Meeresbiologin und ein überlebender Flusspolizist kurz glauben, nun sei alles ausgestanden. Was aber nicht der Fall ist! Die zwei hocken auf dem Dach von irgendeinem Gebäude, das von Wasser umspült wird, und überall schwimmen Haie. Das Haiweibchen hat sich fortgepflanzt und wie der Abspann des Films grafisch schön zeigt, verbreiten sich die mutierten Haie auf der ganzen Welt rasend schnell.“

„Super!“, sage ich. „Endlich mal ein Schluss, der nachdenklich stimmt.“

„Finde ich auch“, erwidert Kurt, „und ehrlich gesagt war ich von Anfang an voll auf der Seite der Haie – aber irgendwie gibt mir das doch ein wenig zu denken.“

Ich suche nach einer passenden Antwort, bis ich schließlich sage: „Solange grausame Slasher-Filme wie Scream oder Texas Chain Saw Massacre und düstere Zombie-Horror-Orgien sich derart großer Beliebtheit erfreuen, muss dich deine Sympathie für Haie, die im Grunde friedliche und freundliche Tiere sind, nicht besorgen, denn sie wollen nur gemäß ihrer Natur leben. Außerdem sind sie nicht größenwahnsinnig und sie bauen auch keine Weltvernichtungsmaschinen.“

Erste Schadensbilanz

Halbjahresergebnis