John Neal, Chief Executive bei Lloyd’s of London hat vor einem herausfordernden Jahr mit Naturkatastrophen, der Invasion der Ukraine und der Inflation gewarnt. Mit Recht. Der älteste Versicherungsmarkt der Welt meldet einen Schaden von 1,8 Mrd. £. Der Sprecher sagte, man habe diese Summe für vom Konflikt betroffene Kunden zurückgestellt. Hauptsächlich für abgestellte Flugzeuge, für im Schwarzen Meer festsitzende Schiffe und gestörte Exporte von Getreide und landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine und Russland.
Lloyd’s versichert ab Juli, im Rahmen eines von der UNO vermittelten Abkommens, auch Schiffe, die Getreide aus ukrainischen Häfen transportieren. Man arbeitet eng mit der britischen Regierung zusammen, um die wegen des Krieges verhängten Sanktionen umzusetzen, einschließlich der Kündigung des Versicherungsschutzes russischer Firmen. Die betroffenen Lloyd´s-Syndicate machten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Vorsteuerverlust von 1,8 Mrd. £ gegenüber einem Gewinn von 1,4 Mrd. £ im Vorjahr. Man verzeichnet einen Anlageverlust von 3,1 Mrd. £, verglichen mit einem Gewinn von 628 Mio. £ im Vorjahr. Dies hauptsächlich aufgrund höherer Zinssätze. Der versicherungstechnische Gewinn hat sich hingegen von 960 Mio. £ auf 1,2 Mrd. £ verbesserte.
Lloyd’s merkt an, dass die Finanzmärkte eine schwierige erste Jahreshälfte hatten, da die Aktienmärkte stark einbrachen. Dazu schnellten die Anleiherenditen in die Höhe, so dass die Märkte eine höhere Inflation erwarteten. Das führte zu einem Ausverkauf von Anleihen. Der größte Teil des Anlageverlusts wurde durch Bewertungsverluste bei festverzinslichen Wertpapieren verursacht. Lloyd’s erwartet, dass sich diese Verluste bei Fälligkeit der Anleihen umkehren würden. John Neal weiter: „Angesichts der großen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit in der Gesellschaft ist es wichtiger denn je, dass Versicherer zur Unterstützung bereit seien. Zwar führten steigende Zinssätze im ersten Halbjahr auf dem Papier zu einem nicht realisierten Anlageverlust, das sei aber langfristig eine gute Nachricht für Versicherer, da die Vermögensrenditen 2023 und darüber hinaus steigen werden. Während der Konflikt in der Ukraine weiterhin verheerende Folgen mit sich bringt, habe Lloyds proaktive Schritte unternommen, um seine Kunden vor den Folgen zu schützen und gleichzeitig sicherzustellen, dass Lloyds in den bevorstehenden unsicheren Zeiten seine Kunden unterstützen und weiterhin nachhaltige Leistung erzielen kann.“
An anderer Stelle zeige dritte jährliche Umfrage Fortschritte in Richtung des Zieles, dass 35 % der Führungspositionen mit Frauen besetzt sind und ein Drittel der Neueinstellungen aus ethnischen Minderheiten stammen. Neal abschließend: „Dennoch müssen wir uns in den kommenden Jahren viel weiter und schneller bewegen, um die Art von Kultur aufzubauen, die unsere Mitarbeiter – sowohl aktuelle als auch zukünftige – von uns erwarten.“
Nicht überraschend wird der Markt (Lloyds) aber auch heftig kritisiert und in Medien, besonders in Social Media angegriffen. In einer Petition wird streitlustig und provokativ gefragt: „Wie lange Lloyd’s of London noch ein Komplize von Putins Krieg in der Ukraine sein werde?“ Die Kritiker übersehen dabei gerne, dass sich Lloyds bereit erklärt hat die Sanktionen (des Westens) mitzutragen und nur in jenen Bereichen tätig ist denen die Britische Regierung aus humanitären Gründen zugestimmt hat. Doch die Kritiker gehen weiter und sagen: Es gibt schärfere Waffen als Sanktionen. Denn das Geld aus dem Export fossiler Brennstoffe sind Putins Achillesferse. Wenn man Lloyd’s zwinge, sich aus Russlands Kohle-, Öl- und Gassektoren zurückzuziehen, könnten diese Exporte beendet und der Geldfluss gestoppt werden.
Die Kritiker behaupten weiters – unbestätigt – die britische Regierung beginne, gegen fragwürdige Beteiligung der Versicherungsbranche an der russischen Energiewirtschaft vorzugehen. Dies werde den öffentlichen Druck auf Lloyds massiv erhöhen. Weiters kritisiert man, dass Lloyds eine Schlüsselrolle beim Underwriting der Ostseepipeline Nord Stream 2 spielte – bis Lloyds von der US-Regierung zum Stopp gezwungen wurde. Doch Lloyds rückversichere derzeit SOGAZ, ein Teil des russischen Gasriesen Gazprom. Außerdem zeichne Lloyds weiterhin ähnliche russische Projekte und unterstütze damit Putins Politik. Man weist diese – nicht begründete – Kritik zurück und informiert darüber hinaus, dass Lloyds Aktivitäten in Ukraine, Weißrussland und Russland weniger als ein Prozent der gebuchten Prämien von Lloyds ausmachen.
Lloyds räumt aber ein, dass der Krieg langfristige Auswirkungen auf seine Bilanz und Leistung haben könnte, und zwar aufgrund versicherungstechnischer Risiken, die sich aus Sanktionen ergeben, sowie Risiken innerhalb von Anlageportfolios und den Auswirkungen auf den Betrieb.
Die Kritiker aber lassen nicht locker, greifen ganz tief in eine archaische Argumentationskiste um Lloyd´s, vorzuwerfen, der Markt habe schon vor 330 Jahre ungehinderte Macht genossen, indem man Sklavenschiffe, klimazerstörende Projekte für fossile Brennstoffe und alle Arten von schmutzigen Geschäften versichert habe. Was sollte Lloyd´s – jetzt, 330 Jahre später – dazu sagen? Vielleicht: „As time goes by!“ Fröhlich übersetzt: Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Trotz der zu erwartenden Ergebnisse kündigte der Markt aber auch einen versicherungstechnischen Gewinn von 1,7 Mrd. £ an, verglichen mit einem Defizit von 2,7 Mrd. £ im Vorjahr, da man von einem Rückgang der Ansprüche für Katastrophenereignisse wie Hurrikane und Waldbrände profitierte.
Dies trug dazu bei, dass sich die Combined Operating Ratio von 110,3 Prozent im Jahr 2020 auf 93,5 Prozent im vergangenen Jahr verbesserte.
Quellen: Loyd´s, Reinsurance market, allnewspress, The Guardian.