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Spielt die EU mit falschen Karten?

von Mario Passini

Mairead McGuinness, Irland, (Kommissar für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion seit 2020), ist als Politikerin kein Erfolgsmodell. Sie ist von der Idee besessen, in der Anlageberatung ein Provisionsverbot durchzusetzen. Sie setzt dabei auf eine Expertise: die Kantar-Kleinanlegerstudie. Jetzt wurde aufgedeckt, dass das Gutachten markante Rechenfehler aufweist. Darüber hinaus betont BVK-Präsident Heinz, (BVK Deutscher Verband der Versicherungskaufleute), dass der immer wieder ins Feld geführte angebliche Interessenkonflikt bei der Provisionsberatung gar nicht existiere. Denn nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 48) sei man verpflichtet, im bestmöglichen Interesse des Kunden zu beraten.

Jetzt also wird‘s wieder ernst. Wieder droht Provisionsverbot. Die EU-Finanzkommissarin meint, es müsse mehr provisionsfreie Beratung geben – die sei billiger. Ihre Kommission plant für das erste Quartal 2023 eine neue Kleinanleger-Strategie, demnach wird ein Verbot provisionsbasierter Finanzberatung angestrebt. McGuinness soll in einem Brief an CSU-Abgeordnete geklagt haben, dass die seit 2018 geltende Finanzmarktrichtlinie MiFID II „entgegen der mit ihr verfolgten Absichten“ nicht zu mehr unabhängiger und provisionsfreier Beratung geführt habe. Die Kommission betont, man wolle „mehr Transparenz, Einfachheit, Fairness und Kosteneffizienz“ fördern. Verdammt: Wenn es nicht zum Lachen wäre, zum Weinen genügt es.

Es ist völlig unverständlich, warum EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hart arbeitenden Menschen ihren mühsam verdienten Lohn nicht gönnen will. Das ist – sagen wir es offen – „Lohnverbot“. Nur weil Lohn in dieser Branche „Provision“ heißt? Da scheinen mächtige Lobbys am Werk zu sein. Hört man im Hintergrund „Verbraucherschützer“ lachen? Oder sind es gar eine Art „Provisions-Klima-Aktivisten“ oder irgendwelche Lobbyisten? Mit diesem angedrohten „EU-Lohnverbot“ werde aber dem Verbraucherschutz ein Bärendienst erwiesen, kritisiert BVK-Präsident Michael H. Heinz das Vorhaben.

Noch 2014 hat das EU-Parlament den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Hard-Disclosure-Ansatz abgelehnt und sich für Mitgliedsstaatenoptionen stark gemacht. Es sollte den einzelnen Nationalstaaten überlassen bleiben, allfällige strengere Regelungen zum Thema Vermittlervergütung zu erlassen. Schön war die Zeit.

Heute ist alles anders. Eine exzessive EU-Politkaste will Versicherungsprovisionen nicht. Das glaubt man gerne. Denn selbst haben – gewisse – EU-Abgeordnete weniger Vorbehalte gegenüber „Provisionen“ oder sonstige milde Gaben. Ganz nach dem alten Klamauk-Motto: Egal ob brutto oder netto, Hauptsache: Schwarz auf‘s Handerl.

Wenn man daran denkt, was da vor Kurzem – europaweit – durch die Presse gegangen ist. Stichwort: Katar. Ob es wirklich nur das eine, einzige Öl-Scheichtum war? Das ist nicht gut für das Ansehen der EU – sollte es gar noch weitere „Nehmer“ geben? Dieses Verhalten beweist, Kritiker eines Herrn Orban, zum Beispiel, sind manchmal schlimmer. Nach dem Motto: Die Kritiker der Elche sind selbst welche.

 

Nach Ansicht des BVK würde die Forderung von EU-McGuinness nach einem EU-weiten Provisionsverbot im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie das Aus für rund 200.000 Versicherungsvermittler allein in Deutschland bedeuten. Diesen Menschen wird durch ein Verbot der Provisionsvergütung die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen. Und schlimmer noch: Viele Konsumenten würden auf die nötige Absicherung verzichten. Diese Entwicklung ist in den Niederlanden und in Großbritannien zu beobachten, wo ein Provisionsverbot bereits existiert.

Jetzt muss wieder KommR Christoph Berghammer, Fachverbandsobmann der Versicherungsmakler, ran. Seiner Funktion wegen zielen alle Pfeile zuallererst auf ihn. Obwohl Diplomatie sein Lebensstil ist, bleibt es ihm manchmal nicht erspart, weniger gelinde Mittel einzusetzen. Doch selbst da nimmt er nicht den sprichwörtlichen „Zweihänder“, sondern das elegante Florett. Ob er allerdings diesmal nicht doch den Zweihänder …? Er ist Profi mit Engagement und Kompetenz bis in die Fingerspitzen. Er erhält unerwartete Unterstützung. Denn vor Kurzem wurde bekannt, dass in der sogenannten „Kantar-Kleinanlegerstudie“, welche Frau McGuinness als Grundlage für ihre Anti-Provisionskampagne dient, grobe Berechnungsfehler enthalten sind. Dieser Aufreger ging durch die ganze deutsche Fachpresse. Laut dem Autor dieser Meldung, Votum-Vorstand Martin Klein, ist damit der EU-Provisionsdebatte die Grundlage entzogen. Das von der Europäischen Kommission beauftragte Kantar-Institut musste in seiner 2022 veröffentlichten Kleinanlegerstudie daraufhin einen groben Fehler bei der Berechnung von Kostenquoten einräumen. Ursprünglich kam das Institut zu dem fragwürdigen Ergebnis, dass die Kosten für durch Provisionsberatung vertriebene Finanzprodukte um (sagenhafte) 35 Prozent höher als für Produkte ohne Provisionsvergütung seien. Dieses Ergebnis stellt sich nun als schlichtweg falsch heraus. Seit Kurzem gibt die Kommission an, dass diese Zahl auf 24 bis 26 Prozent nach unten korrigiert werden musste – und auch dieser Wert erscheine mehr als zweifelhaft, so Votum-Vorstand Martin Klein.

Frau McGuinness steht vor einem Desaster. Schließlich hat sie dieses fehlerhafte Gutachten bei all ihren Argumentationen, zuletzt auch gegenüber EU-Abgeordneten und dem EU-Parlament am 24. Januar, immer wieder als Hauptargument für – angebliche – Fehlanreize in der Anlagevermittlung vorgelegt. Die Berufsvertretungen meinen zusätzlich, dass es nicht tragbar sei, dass sie noch immer nicht Einsicht in die Grundlagen der Expertise erhalten. McGuinness ist nichts peinlich, sie hält das verkorkste Gutachten weiter unter Verschluss. Sie meint, es gebe keine Fehler, und bleibt bei ihrer Haltung. Kommissarin McGuinness hat eine falsche Vorstellung von der Wahrheit. Sie wirkt, wie mit selbstauferlegter Ignoranz CO-infiziert. Hoffentlich holt sie die Realität ein und man erstellt eine Expertise ohne Rechenfehler. Aber noch ein Hindernis stellt sich einer schnellen Einigung in den Weg: Nächstes Jahr – voraussichtlich im Frühjahr 2024 – gibt es die EU-weite Wahl in die EU-Kommission. Wer hindert das Schicksal daran, dass einmal auch fähige Politiker eingesetzt werden?

Derzeit tröstet nur ein alter Song. Und der klingt so: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen.“

 

Quelle: EU, EU-Parlament, Google. BVK, Cash, British Underwriter, u.v.a.

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