©DALL E 2024-10-19
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Über einen Städteflug nach Venedig, Bombenteppiche in Nahost, Sir Winston Churchill und das neue Pfandsystem für Plastikflaschen

von Thomas Beckstedt

Kurt war letzte Woche für ein paar Tage in Venedig, und als wir uns wiedersehen, ist seine Reise natürlich unser hauptsächliches Gesprächsthema. Kurt erzählt begeistert wie schon lange nicht mehr; er schwärmt von dieser einmaligen Stadt in den höchsten Tönen, die er von vergangenen Reisen gut kennt und die er dieses Mal schön erlebt hat, wie noch nie zu zuvor.

Aber Kurt hat abseits von den bekannten Sehenswürdigkeiten einige weitere Beobachtungen gemacht, die er mir nicht vorenthalten möchte: „Als ich im Wiener Flughafengebäude ankam und Ausschau nach einem passenden Kaffeehaus hielt, fiel mein Blick auf dieses große, digitale Infobanner, auf dem quasi am laufenden Band vermeintlich wichtige Schlagzeilen gezeigt wurden. Die erste, die ich sah, lautete sinngemäß: EU erwägt Rauchverbot in Schanigärten! Die zweite: Schwere israelische Bombenangriffe auf Beirut! – oder war es Gaza?“ Kurt unterbricht sich für eine paar Sekunden und reibt sich die Nase. „ich bin mir nicht sicher und irgendwie habe ich auch den Überblick verloren, welche Stadt in welchem Land die Israelis gerade bombardieren. Bemerkenswert jedoch fand ich die Reihenfolge der Schlagzeilen: Zunächst kam Rauchverbot in Schanigärten, dann verheerende Bombenangriffe.“

„Nun ja“, überlege ich, „vermutlich klinken sie in Brüssel wieder so ein Reizthema aus, auf das sich hoffentlich alle möglichen Leute stürzen, und während sich die Gemüter erhitzen und wertvolle Energie vergeuden, schießt man uns über die Hintertüre etwas herein, das uns noch weniger schmeckt. Wie bei den Kindern: Schau, dort am Plafond sitzt ein Schmetterling! Und während das Kind angestrengt den Schmetterling zu erspähen sucht, klaut man ihm die Leckereien vom Teller. Ha, ha, ha! Wir haben jedes Mal herzhaft gelacht.“

Kurt schmunzelt und nickt. „Ja, vermutlich wird es so oder zumindest so ähnlich abgehen, und vermutlich werden wir hinterher ein weiteres Stück unserer Freiheit verloren haben. Wie auch immer: Jedenfalls habe ich dann, weil ich schon längere Zeit nicht geflogen bin und mich diese Geschichte mit dem Rauchverbot nachdenklich gestimmt hat, im Duty-Free Shop geschaut, wieviel aktuell Zigaretten kosten. Und siehe da: Zigaretten sind auf EU-Binnenflügen inzwischen teurer als bei uns der Trafik. In Venedig jedoch, wie ich später feststellte, sind sie um gute 10% billiger als bei uns. Bemerkenswert, nicht wahr?“

„In der Tat“, ich stimme Kurt zu. „Und man stellt sich natürlich die Frage, warum diese Geschäfte nach wie vor die Bezeichnung Duty-Free tragen.“

„Ich wollte mich nur auf Venedig konzentrieren“, fährt Kurt vor, „und meistens ist es mir auch gelungen, aber hin und wieder sprangen meine Gedanken zu Aspekten, die ich eigentlich ausblenden wollte. So ertappte ich mich zum Beispiel dabei, dass ich Ausschau hielt, wie viele Plastikflaschen in den venezianischen Kanälen treiben. Ich wollte die Sinnhaftigkeit des neuen Pfandsystems verstehen, das uns ab 2025 ins Haus steht. Denn meiner Wahrnehmung nach sind bei uns in Österreich − zumindest dort, wo ich mich regelmäßig bewege − und den Gebieten in Tschechien, der Slowakei und Ungarn, die ich in diesem Sommer besuchte, die achtlos weggeworfene Plastikflasche kein sichtbares Problem.“

„Geht mit ähnlich“, erwidere ich. „Irgendwo habe ich gelesen, dass in Österreich angeblich nur 70% der Plastikflaschen recycelt werden und ich frage mich die ganze Zeit schon, wo die restlichen 30% verkommen sind, denn mir scheint, dass das System mit dem gelben Sack im Grunde recht gut funktioniert.“

„So ist es! Immer wieder streuen sie irgendwelche Zahlen unters Volk, um uns zu beeindrucken oder einzuschüchtern oder gefügig zu machen – und ich will jetzt auch gar nicht sagen, dass diese Zahlen nicht stimmen, aber ich erlaube mir skeptisch zu sein. Wie sagte einst Sir Winston Churchill so treffend: Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.“

„Guter Satz!“

„Wie du weißt“, fährt Kurt fort, „habe ich vor etlichen Jahren in einem großen IT-Unternehmen gearbeitet. Und zu einer Zeit, wo in den Nachrichten permanent auf den Mangel an IT-Spezialisten hingewiesen wurde − angeblich fehlten uns damals zehntausende Fachkräfte! – drängten unsere Oberbosse fieberhaft darauf, dass wir unsere IT-Services von Wien ins Ausland verlagern. Und tatsächlich wurden in weiterer Folge Programmierarbeiten nach Indien ausgelagert, das Monitoring der Serverlandschaft ging in die Slowakei und unsere SAP-System, mit wir all unsere kaufmännischen Transaktionen abgewickelten, wurde nach Südafrika verschoben. Als ich das Unternehmen verließ, überlegte man gerade, an die Slowakei ausgelagerte IT-Services weiter nach Osten zu verschieben, z.B. in die Ukraine, weil dort die Arbeitskräfte angeblich noch billiger wären.“

„Tja,“ seufze ich, „da fragt man sich zurecht, wie sich der damalige Fachkräftemangel im IT-Bereich bergründen lässt.“

Kurt: „Ich verbrachte drei Nächte in Venedig, also in Summe 4 Tage, und ich war viel mit den Wasserbussen unterwegs und ging stundelang an den schmalen Kanälen sparzieren. Am ersten Tag sah ich eine Plastikfalsche im Wasser treiben, am zweiten Tag wiederum eine − und auch am dritten war es nur eine. Erst am vierten Tage häuften sich die Plastikflaschen im Wasser, ich zählte rund ein Dutzend, was aber, wie ich vermute, am starken Wind lag, der aufgekommen war und den einen oder anderen Mülleimer leerte. Ich denke, es gibt dringendere Probleme, die zu lösen es gilt, aber die geht man nicht an. Der Druck ist scheinbar noch nicht hoch genug, und deswegen begnügt man sich gerne mit Kosmetik, dessen Wirkung am Ende mit nicht viel mehr ist als der berühmte Tropfen auf einen heißen Stein.“

Info-Abend der Sobranje