In den USA wird das politische System von zwei Parteien beherrscht. Wie ein Kartell eliminiert es den Wettbewerb, ist ineffizient und genügt sich nur noch selbst, wie kritische Stimmen zeigen.
Das politische System der USA ist wie Coca-Cola vs. Pepsi Cola. Michael Porter, Professor an der Harvard Business School, meint, es ist schlimmer als das. Da Coke und Pepsi mit ihrem 70-Prozent-Marktanteil den Markt nicht annähernd so stark kontrollieren wie Republikaner und Demokraten. Viele Politiker der Gründergeneration der Vereinigten Staaten brachten ihre große Sorge schon in der Frühzeit der US-Demokratie zum Ausdruck und fürchteten die steigende Macht der Parteien. So meinte John Adams, der zweite Präsident der USA: „Es gibt nichts, was ich so sehr fürchte, wie die Spaltung der Republik in zwei große Parteien, die jeweils einem Anführer unterstellt sind und Maßnahmen gegeneinander planen.“ Ähnlich äußerte sich der erste US-Präsident George Washington, der in seiner Abschiedsrede vor der Entstehung von politischen Parteien warnte, da diese eher für ihre eigenen Interessen arbeiten könnten als für das Gemeinwohl („The spirit of party serves always to distract the public councils and enfeeble the public administration.“).
Milliardenschwere Branche
Der Harvard Business School Report „Why competition in the political industry is failing America“ von Katherine Gehl und Michael Porter bestätigt die Befürchtungen der ersten US-Präsidenten. Er beschreibt das US-amerikanische politische System als einen duopolistischen „Industriezweig“, in dem die beiden großen Parteien wie marktbeherrschende Unternehmen agieren. Diese Parteien haben Anreize, ihren eigenen Einfluss und ihre Macht zu maximieren, statt die Bedürfnisse der Bürger zu bedienen. Die politische Industrie ist eine milliardenschwere Branche. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 beliefen sich die Gesamtausgaben (Präsidentschaft, Kongress, Senat) laut OpenSecrets.org auf etwa 14 Milliarden US-Dollar. Die Zwischenwahlen 2022 kosteten etwa 8,9 Milliarden US-Dollar. Diese Zahlen umfassen sowohl direkte Wahlkampfausgaben als auch Super-PACs (Political Action Committees), die unabhängige politische Werbung finanzieren. Ein großer Teil der Wahlkampffinanzierung fließt in Medienwerbung (Fernsehen, soziale Medien, Radio, Print). Im Wahljahr 2020 wurden über neun Milliarden US-Dollar allein für politische Werbung ausgegeben. Lobbying-Ausgaben in den USA sind ein zentraler Teil des politisch-industriellen Komplexes. Laut OpenSecrets.org betrugen die Ausgaben für Lobbying im Jahr 2023 etwa vier Milliarden US-Dollar. Dies umfasst Zahlungen von Lobbyisten, um Einfluss auf die Gesetzgebung und politische Entscheidungen zu nehmen. Politische Beratungsfirmen und Kampagnenberater sind ein weiterer bedeutender Teil der Industrie. Diese Unternehmen helfen Kandidaten, politische Botschaften zu formulieren, Strategien zu entwickeln und Wahlkämpfe zu organisieren. Es gibt keine genaue Zahl für diese Branche, aber sie macht einen großen Teil der Wahlkampfausgaben aus. Nun stellt sich die Frage, ob die milliardenschwere politische Industrie für die Bürger bzw. Kunden einen Mehrwert liefert, bzw. zufriedenstellt. Laut einer Gallup-Umfrage von 2023 gaben nur etwa 29 Prozent der Amerikaner an, „sehr viel“ oder „ziemlich viel“ Vertrauen in die Bundesregierung zu haben, um nationale Probleme zu lösen. Das Vertrauen in die Regierung hat seit den 1960er Jahren stetig abgenommen, als es noch über 70 Prozent lag. In der Marktwirtschaft ist es üblich, dass in einer Branche, in der die Kundenzufriedenheit sinkt oder gering ist, während die etablierten Anbieter weiterhin gut verdienen, neue Anbieter auf den Markt drängen, um die unbefriedigten Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen. Warum passiert dies also nicht in der politischen „Industrie“ der USA?
Kartellabsprachen
Zur Beantwortung der Frage definiert Katherine Gehl fünf Schlüsselfaktoren im politischen Wettbewerb: Kandidaten, Wahlkampfmanagement, Wählerdaten, Ideenlieferanten und Lobbyisten. Die Conclusio: Fast alles, was für einen modernen Wahlkampf und eine moderne Regierung erforderlich ist, ist eng mit der einen und/oder der anderen Partei verbunden oder wird von ihr stark beeinflusst. Die beiden Parteien teilen die entscheidenden Hebel der politischen „Industrie“ unter sich auf. Wer also nicht Demokrat oder Republikaner ist, hat große Schwierigkeiten, überhaupt einen Kampagnenmanager zu finden – das Gleiche gilt für Wähleranalysen und andere zentrale Dienstleistungen. Ein Beispiel dafür ist Donald Trump, der ursprünglich als unabhängiger Kandidat in den Präsidentschaftswahlkampf einsteigen wollte. Trotz seiner enormen Ressourcen erkannte er schnell, dass dieser Weg nicht zum Erfolg führen konnte. Zusätzlich haben sich das Duopol und die politische „Industrie“ im Wesentlichen die Medien zunutze gemacht. Und vielleicht noch entscheidender: Beide Parteien treffen Absprachen und entwickeln Regeln und Praktiken, die die Eintrittsbarrieren für neue Mitbewerber erhöhen, so Porter.
Mitte wird ignoriert
Die Parteien konkurrieren nicht direkt um die gleichen Wähler. Sie kämpfen nicht um die Mitte, sondern nutzen Strategien wie das Gerrymandering, die gezielte Neuordnung von Wahlbezirken. Die Partei, die die Landesregierung (Gouverneur und Parlament) kontrolliert, hat erhebliche Freiheiten, die Bezirksgrenzen so zu ziehen, dass sie davon elektoral profitiert. Das führt dazu, dass in vielen Wahlbezirken Kandidaten mit extremeren Ansichten bevorzugt werden, da die Wählerschaft dieser Bezirke oft einheitlich konservativ oder liberal ist. Der gemäßigte Kandidat hat nur zwei Optionen: selbst weiter nach rechts (oder links) zu rücken, oder von einem extremeren Konkurrenten innerhalb der Partei besiegt zu werden. Dies verstärkt die Polarisierung und macht es gemäßigten Kandidaten zunehmend schwerer, sich durchzusetzen. Der Effekt zeigt sich auch im US-Kongress, wo die ideologischen Lager immer weiter auseinanderdriften, wie der US-Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch in einem Podcast erklärt. Für die Parteien lohnt es sich daher nicht, um die Wähler in der politischen Mitte zu werben. Ein solcher Ansatz würde einen destruktiven oder „Nullsummenwettbewerb“ darstellen. Stattdessen ignorieren die Parteien die breite Mehrheit der gemäßigten Wähler, die sich von der Politik oft übergangen fühlt. Diese geben dann oft widerwillig der Partei ihre Stimme, die sie weniger ablehnen, während sich die Parteien auf ihre engagierte Basis und Interessengruppen konzentrieren. Die Conclusio des Harvard-Berichts: In einem duopolistischen System ist Polarisierung kein Fehler, sondern ein zentrales Merkmal. Die Polarisierung hat sich im Laufe der Zeit zunehmend verschärft. So wurden in der Vergangenheit wegweisende Gesetze wie der Social Security Act von 1935 von 90 Prozent der Demokraten und 75 Prozent der Republikaner unterstützt. Auch der Civil Rights Act von 1964 erhielt die Zustimmung von 60 Prozent der Demokraten und 75 Prozent der Republikaner. In den letzten Jahrzehnten hat sich dieses Bild jedoch stark verändert. So wurde beispielsweise ObamaCare 2010 ohne eine einzige Stimme der Republikaner verabschiedet, während die Steuerreform von 2018 von keiner Stimme der Demokraten unterstützt wurde.
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