Wer eine Reise tut, so sagt man, kann etwas erzählen – selbst dann, wenn es sich um einen eher bescheidenen Trip von wenigen Tagen nach Budweis in Tschechien handelt. Letzten Sonntag bis Dienstag dieser Woche bin ich in dieser schönen Stadt gewesen, und wie es meine Angewohnheit ist, schreibe ich jeden Tag ein paar Zeilen über meine Eindrücke vor Ort. Zeilen, die nur für mich bestimmt sind, das eine oder andere jedoch bespreche ich auch gerne mit Freunden.
„Das historische Stadtzentrum fand ich überraschend klein“, erkläre ich Kurt, als wir uns Tage später bei mir zu Hause treffen. „Die Altstadt lässt sich zu Fuß zügig durchwandern, und weil in diesen Tagen absolute Nebensaison war, war es im Hotel bemerkenswert ruhig, was ich äußerst angenehm fand …“
Wir reden noch eine Weile über meine Eindrücke von Budweis, die berühmte Brauerei, die ich besuchte, den schwarzen Turm, der leider geschlossen war (Winterpause) und die schmackhafte böhmische Küche, bis ich schließlich auf den Tag meiner Rückreise zu sprechen komme: „Drei Dinge sind mir auf der Rückfahrt nach Österreich aufgefallen, die mich nachdenklich gestimmt haben.“
„Die da wären“, will Kurt wissen.
„Ich fuhr von Budweis über Trebon, wo ich einen kleinen Zwischenstopp einlegte, weiter nach Znaim und dann nach Hause. Auf der Strecke zwischen Budweis und Znaim fiel mir auf, wie dünn besiedelt diese Region ist. Jede Menge Ackerflächen und ausgedehnte Wälder und es dauert, bis man von einer Ortschaft in die nächste kommt. Ganz anders als bei uns im Weinviertel, das im Verhältnis zu dieser tschechischen Region ausgesprochen dicht bevölkert wirkt.“
„Hängt wohl mit der Geschichte der Gegend nach dem 2. Weltkrieg zusammen“, meint Kurt. „Sowjetische Besatzung und so, Etablierung von Kolchosen und Eiserner Vorhang.“
„Vermutlich“, erwidere ich, „für alles gibt es Ursachen und oft liegen sie in der Vergangenheit. Aber auch ohne sie im Detail zu kennen, möchte ich sagen, dass ich diese weitläufige Natur überaus ansprechend fand. Was mich zum zweiten Punkt bringt, der mir auf der Rückfahrt aufgefallen ist. In den Ortschaften, durch die ich fuhr, wird so gut wie nicht gebaut. Die Ortschaften sind wie sie sind und sie wachsen nicht so wie bei uns, wo laufend Äcker in Bauland umgewidmet und neue Gewerbegebiete erschlossen werden, wo dann oftmals recht unansehnliche Logistikzentren und ähnliche Klötze in Rekordgeschwindigkeit aus dem Boden gestampft werden.“
„Ja, leider“, sagt Kurt. „In Sachen Bodenversiegelung liegt Österreich im europäischen Vergleich bedauerlicherweise ganz weit vorne. Ich kann auswendig nicht sagen, wie viele Hektar jeden Tag bei uns versiegelt werden, aber wenn wir so weitermachen, dürfen wird uns nicht wundern, wenn künftig schlimme Dinge passieren.“
„Und das dritte, was mir während der Fahrt von Budweis nach Znaim aufgefallen ist, immerhin eine Strecke von rund 140 Kilometern“, setze ich fort, „war die Anzahl der Windräder, die ich gezählt habe.“
„Wie viele waren es?“, will Kurt wissen.
„Null“, lautet meine Antwort.
„Tatsächlich? Nicht einmal das eine oder andere?“
„Kein einziges! Und das hat mich dann schon interessiert. Ich meine, über Windkraft gibt es ja einiges an Für und Wider, aber eine gewisse Berechtigung will ihr nicht abstreiten – wenngleich ich persönlich Windräder ziemlich hässlich finde. Also: Ich habe ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass es in Tschechien sehr wohl Windkraftanlagen gibt, aber sie decken gerademal 1% des nationalen Strombedarfs ab, während es in Österreich immerhin 11% sind.“
[Quelle: https://de.statista.com – Anmerkung des Autors]
„Tschechien setzt offenbar weiterhin auf Atomkraft mit fast 41% der gesamten Stromproduktion und kalorische Kraftwerke, die hauptsächlich Braunkohle, aber auch Steinkohle und Gas verbrennen, und weitere 38% der Elektrizität liefern.“
„Ein ziemlich nachhaltiger Energiemix, wie mir scheint“, grinst Kurt. „Aber inzwischen ist Atomstrom ja grün geworden, wie wir wissen. Warte mal …“ Er nimmt sein Smartphone und googelt besagte Causa, dann liest er den ersten Treffer seiner Internetrecherche laut vor: „Atom- und Gaskraftwerke sind laut EU-Taxonomie-Verordnung seit 1. Januar 2023 also als ‚notwendige Tätigkeit für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft‘ eingestuft. Sie tragen damit das Label ‚grüne Investition‘ bzw. ‚wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz.‘“
„Halleluja“, rufe ich. „Tschernobyl und Fukushima sind vergessen!“
„Offensichtlich. Andrerseits haben Tschernobyl die bösen Sowjets vermasselt und in Fukushima wurden die guten Japaner von einem völlig unerwarteten Tsunami getroffen, von höherer Gewalt quasi; und weil die Japaner zu den Guten gehören, durften sie auch das radioaktive Wasser ohne Sanktionen fürchten zu müssen ins Meer einleiten. Es gibt schon feine Unterschiede, wenn man rechtzeitig auf der richtigen Seite der Geschichte steht.“