Die jüngsten Entwicklungen in der Eurozonen-Wirtschaft zeichnen ein düsteres Bild: Laut dem HCOB Flash PMI® Eurozone von S&P Global verschärft sich die Rezession im verarbeitenden Gewerbe weiter. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie fiel im November erneut und blieb deutlich unter der Marke von 50 Punkten, die Wachstum signalisiert. Mit 45,2 Punkten liegt der Indikator weiterhin tief im rezessiven Bereich. Die Wachstumsprognosen des IWF für 2025 sind mit einem BIP-Wachstum von 1,2 Prozent sehr verhalten und eine Abwärtsrevision ist in den kommenden Monaten nicht ausgeschlossen.
Industrie im freien Fall – ein strukturelles Problem?
Besonders besorgniserregend ist, dass die Industrie der Eurozone im Oktober 2024 bereits den 28. Monat in Folge im Kontraktionsbereich verharrt. Infolge eines starken Auftragsrückgangs nahm auch die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe ab. Die Industrie-Einkaufsmanager-Indizes erreichten in den Niederlanden und Österreich jeweils ein 10-Monatstief. Einen kleinen Rebound auf niedrigem Niveau verzeichnete Deutschland, während Frankreich eine anhaltende Schwäche signalisierte. Insgesamt hinterließ die Corona-Krise ein schweres Erbe. In der Aussendung von S&P Global vom 4. November 2024 kommentierte Dr. Cyrus de la Rubio, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, die Industriekonjunktur im Euroraum: „Es ist wenig erbaulich, dass sich der Lagerabbauzyklus bei den Vormaterialien mit einem ungewöhnlich hohen Tempo fortsetzt. Hier hinterlässt die Corona-Krise immer noch ihre tiefen Spuren. Denn die anhaltende Reduzierung der Bestände hat offensichtlich damit zu tun, dass während 2021 und 2022 in einem bis dahin nicht dagewesenen Ausmaß Unternehmen Rohstoffe und Vorleistungen eingekauft und eingelagert haben. Die weltweit schleppende Nachfrage gibt den Unternehmen aktuell keinen Anlass, die Lager wieder zu füllen, was seinerseits die Konjunktur belastet“.
Servicesektor vom Abschwung erfasst
Die Dienstleistungspreise haben sich infolge starker Lohnerhöhungen deutlich verteuert. Im Oktober verteuerten sich die Dienstleistungstarife auf Jahressicht um 4 Prozent – doppelt so stark wie der HVPI (2 %). Entsprechend hält sich somit auch die Nachfrage in Grenzen. Der vorläufige HCOB Flash PMI® Eurozone zeigte, dass der Teilindex für Geschäftstätigkeit im Dienstleistungsbereich auf ein 10-Monatstief in den Kontraktionsbereich fiel. Diese Entwicklung drückte das gesamte Aktivitätsniveau der Privatwirtschaft des Euroraums in den Rezessionsbereich. Unter normalen Umständen würden kräftige Leitzinssenkungen winken -was positiv wäre. Doch drohende Zollkonflikte und ein starker US-Dollar bedeuten importierte Inflation. Zudem kann es zwischenzeitlich immer wieder zu geopolitisch bedingten Preissteigerungen bei Erdöl und Erdgas kommen. Diese Unsicherheiten könnten das Zinssenkungstempo der EZB verlangsamen.
Politische Unsicherheit als zusätzlicher Belastungsfaktor
Das ist keine gute Ausgangsbasis für 2025. Bereits jetzt beschleunigt sich der Abschwung. Wie das Weihnachtsgeschäft noch verläuft, bleibt abzuwarten und ab Jänner steht die Welt vor neuen Rahmenbedingungen. Das entscheidende Ereignis: Der Machtwechsel im Weißen Haus am 20. Januar 2025 bedeutet handelspolitische Spannungen zwischen USA und China aber auch USA und der EU. Zollkonflikte sind vorprogrammiert. In Deutschland sorgen vorgezogene Neuwahlen für Unruhe, und in Frankreich ist die innenpolitische Situation ebenfalls kritisch.
Fazit: Unter Umständen droht Europa im Verlauf der kommenden Jahre ein stagflationäres Szenario, also ein Szenario mit stagnierender Wirtschaftsleistung bei überdurchschnittlich hoher Inflation. Die Folgen könnten erneute Realeinkommensverluste für breite Schichten der Bevölkerung und eine gedämpfte Nachfrage bei einer durch Angebotsreduktion induzierten Inflation sein.