Wie situationselastisch die Kriterien für nachhaltige Investitionen auf EU-Ebene ausgelegt werden, zeigt sich schon daran, dass im Rahmen der EU-Taxonomie auch Atomstrom und Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig gelten. Andauernde Konflikte auf europäischem Boden, globale geopolitische Krisenherde und der damit einhergehende Bedarf an Rüstungs- und Verteidigungsgütern lassen nun eine neue kontroverse Diskussion aufkeimen: Sollen Investments in Waffen, Panzer & Co. als nachhaltig eingestuft werden?
Sogar der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. erkennt bei dieser Frage ein grundsätzliches Problem, und spricht in einem Forderungspapier an die deutsche Bundesregierung von „schwieriger Vereinbarkeit“.
Kapitalbedarf der Rüstungsindustrie
Bereits am 15. Februar 2022 (also noch vor Beginn des Ukraine-Konflikts) betonte die EU-Kommission in einer Mitteilung über die europäische Verteidigung, dass im Rahmen der Initiativen für eine nachhaltige Finanzierung auch die europäische Verteidigungsindustrie ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen benötigt. Im Dezember 2022 (also nach Monaten des Ukraine-Konflikts) anerkennt die Kommission die Notwendigkeit, dass insbesondere die Verteidigungsindustrie, die zur Sicherheit der europäischen Bürger beiträgt, ihren Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen auch aus dem privaten Sektor sicherstellen muss.
Akzeptanz der Investoren
Erste (deutsche) Vertreter der Finanzbranche drängen darauf, dass nachhaltige Fonds auch in die Rüstungsindustrie investieren dürfen, wobei völkerrechtlich geächtete Waffen, wie Streubomben, Atomwaffen oder Landminen, auch weiterhin ausgeschlossen bleiben sollen. Selbst wenn die EU hier politisch zustimmt, werden viele Anleger – nicht nur nachhaltig orientierte – wohl dabeibleiben, dass Kriegsgüter aller Art nicht mit Nachhaltigkeit vereinbar sind. Zu groß sind das verursachte Leid der Soldaten und vertriebenen Menschen sowie die enormen Schadstoffemissionen, die kriegerische Handlungen und der Wiederaufbau verursachen.