Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2019 den Grünen Deal präsentierte, war die Welt noch eine andere. Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg initiierte den „Schulstreik für das Klima“, der zur globalen Bewegung „Fridays for Future“ anwuchs. Politische Parteien erkannten im Kampf gegen den Klimawandel ein neues Wahlkampfthema. Extremwetterereignisse machten die vielzitierte Klimakatastrophe auch für die Bevölkerung immer sichtbarer. Das visionäre EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 folgte mehr diesem Zeitgeist als der machbaren Realität. Jetzt folgt der Rückwärtsgang.
Bürokratie-Monster
Aus dem ursprünglich nur 29-seitigen Grünen Deal ist über die Jahre ein Monstrum mit vielen tausend Seiten Gesetzestext geworden: von A wie Abfallrahmenrichtlinie über Lieferkettengesetz (CSDDD) und Offenlegungsverordnung (SFDR) bis Z wie (CBAM-)Zertifikate. In dieses enge regulatorische Korsett gezwängt, sollen Finanzindustrie und Wirtschaft dazu beitragen, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent der Erde zu machen.
Trickle-Down-Effekt unterschätzt
Was in der Finanzindustrie seinen Anfang nahm, sickerte sukzessive zur gesamten europäischen Wirtschaft durch: eine horrende Bürokratie. Der Plan, nur große Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, verpuffte. Denn die Großen können ihre „grünen“ Pflichten nur erfüllen, wenn sie auch ihre kleinen Lieferanten einbinden. So entsteht eine Kaskade an direkt und indirekt betroffenen Unternehmen aller Größen, der so genannte Trickle-Down-Effekt.
Zu komplex, auch für den Regulator
Im Dickicht der Regelwerke verlor der europäische Gesetzgeber den Überblick. Viele Rechtsakte sind inhaltlich und zeitlich nicht aufeinander abgestimmt, die EU schaffte es mehrfach nicht, die selbst auferlegten Fristen für Detailregelungen einzuhalten. Mitgliedstaaten hinken mit der nationalen Umsetzung von EU-Richtlinien hinterher. Rechtsunsicherheit für Unternehmen paart sich von Beginn an mit dem Grünen Deal.
Mehr Optimismus als Realismus
Manche visionären Pläne der EU klingen auf dem Papier hervorragend, sind für die Realität aber viel zu optimistisch (etwa die grüne Vorreiterrolle für die ganze Welt) bis hin zu technisch gar nicht realisierbar (wie die EU-Wasserstoff-Strategie). Gemeinsam mit Bürokratie-Last und Trickle-Down-Effekt nährte dies den Widerstand der Wirtschaft.
Herausfordernde Zeiten
Die grüne Regulatorik verlangt Unternehmen in der aktuell wirtschaftlichen und geopolitisch schwierigen Phase sehr viel ab. Nach der Corona-Pandemie kämpfen Betriebe weiterhin mit hohen Energie- und Rohstoffpreisen, dem Fachkräftemangel und der Konsumflaute. Österreich und Europa stecken in einer Rezession.
Mitten im Bewältigen dieser Herausforderungen, die für Unternehmen, unseren Wohlstand und unser gesellschaftliches Gefüge existenziell sind, beansprucht die grüne Regulatorik finanzielle und personelle Ressourcen, die große Unternehmen Millionen Euro kosten und kleine bis mittlere Unternehmen schlichtweg überfordern.
EU-Kommission erkennt Realität
„Damit Europa aufholen kann, müssen wir auch unseren Unternehmen das Leben leichter machen“, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende November 2024 an. Zu viel Berichterstattung, zu viele Überschneidungen, zu komplex und zu teuer, um sie einzuhalten, sei die Bürokratie, gestand sie ein. Am 26. Februar 2025 präsentierte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Omnibus-Verordnung, mit der EU-Taxonomie, Nachhaltigkeitsberichtspflichten und Lieferkettengesetz vereinfacht werden sollen.
Die Wirtschaft begrüßt diesen Schritt als wichtig und unverzichtbar, Klimaaktivisten und NGOs befürchten, dass Klima- und Umweltschutz abgeschafft werden. Das ist natürlich nicht der Fall, Nachhaltigkeit bleibt ein zentrales Thema. Die grüne Regulatorik macht nur ein paar Schritte zurück in die sinnvolle und machbare Realität.