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Über die jungen Leiden der neuen Fernsehgeräte, leckeren Punsch und was das alles mit dem Film DER WEIßE HAI zu tun hat.

von Thomas Beckstedt

Kurt und ich treffen uns am Adventmarkt in der Kellergasse von Hadres und trinken Punsch. Wir genießen die weihnachtliche Stimmung und plaudern ein wenig, als Kurt plötzlich einen Gedankensprung macht: „Kannst du dich noch erinnern, wie ich das Innenleben der kaputten Mikrowelle meines inzwischen 85-jährigen Onkels erforscht habe?“

„Sicher doch! Ist schon eine Weile her, aber ich weiß noch recht gut, dass wir damals ziemlich viel Spaß hatten.“

Kurt nickt. „Unlängst erhielt ich wieder so einen Anruf von meinem Onkel, in dem er mir aufgeregt mitteilte, dass sein Fernseher nicht funktioniert, ich solle ihn mir ansehen. Nun, ich bin bekanntlich weder Elektriker noch Fernsehtechniker, aber bei solchen Anlässen bin ich nach wie vor seine bevorzugte Kontaktperson.“

„Nun ja“, erwidere ich, „vermutlich vertraut er dir.“

„Vermutlich“, meint Kurt und fährt fort. „Also setzte ich mich am selben Tag noch in mein Auto und fuhr zu meinem Onkel. Ich untersuchte den Fernseher, stöberte im Internet nach etwaigen Lösungen und langer Rede kurzer Sinn: Ich habe den Fernseher nicht zum Laufen gebracht und wir entschieden uns einen neuen zu kaufen.“ Kurt hielt einen Moment inne. „Ehrlich, wäre es um einen Fernseher für mich gegangen, hätte ich ihn online bestellt. Aber mein Onkel hat weder Pay-TV noch Internet und möchte Fernsehsendungen aufnehmen, also braucht er ein Gerät, an das man eine Festplatte anschließen kann. Und nachdem ich mit der Festplatte seines alten Geräts, die geraume Zeit nicht mehr richtig gearbeitet hat, schon etliche Stunden mit mageren Ergebnissen verbracht hatte, entschloss ich mich, einen Fachhändler aufzusuchen.“

„Tja, hätte ich unter diesen Umständen auch so gemacht.“

„Beim Fachhändler“, fährt Kurt fort, „erkundigte ich mich nach einem Wissenden und fand auch rasch einen Verkäufer, der sich als zuständig erklärte und auf seine 30-jährige Erfahrung mit TV-Geräten verwies. Ich trug mein Anliegen vor: Fernseher für meinen älteren Onkel, kein Internet bei ihm zu Hause, Gerät soll Sendungen aufzeichnen können. Ich dachte an einen Samsung, weil mein letzter Samsung 16 Jahre ohne Probleme gelaufen ist. Nein, nein, meinte der Verkäufer, Aufnahmefunktionen würden inzwischen nur noch wenige TV-Hersteller unterstützen und verwies mich auf ein Gerät von Sony, das zudem von höchster Qualität sei. Ich reagierte skeptisch und sagte dem Verkäufer, dass ich von Sony nicht sonderlich überzeugt sei, weil das letzte Gerät meines Onkels ein Sony war und schon nach 7 Jahren den Geist aufgegeben habe“, sagt Kurt und nimmt einen großen Schluck Punsch, ehe er fortfährt. „Und jetzt kommt es! Der Verkäufer meinte, ich solle froh sein, dass der Sony meines Onkels 7 Jahre durchgehalten habe, das wäre eh schon eine bemerkenswert lange Zeit.“ Kurt schüttelt den Kopf. „Ich meine, wir kennen das inzwischen ja zur Genüge aus allen möglichen Bereichen. Als ich unlängst einen neuen Geschirrspüler in der Hoffnung kaufte, er würde wieder 10 bis 12 Jahre halten, zerstörte der Verkäufer meine Illusion, indem er mich darauf hinwies, ich solle froh sein, wenn er 7 bis 8 Jahre hält. Mein Automechaniker jammert auch fortlaufend, dass die Autos von heute nicht mehr die Qualität von einst haben. Selbst bei Malerfarben bekam ich unlängst ähnliche Hinweise. Ja, richtig, es stimmt: Man ist über solche Aussagen nicht mehr erstaunt, neu war für mich die Selbstverständlichkeit, mit der mir der Verkäufer diese bittere Pille verabreichte. Dann wollte er mir noch eine Garantieverlängerung auf 5 Jahre um weitere 100 Euro verkaufen, die ich aber ablehnte. Ihre Entscheidung, meinte er, und dann brachte er mir ein motivierendes Beispiel von einem seiner Kunden, der sich einen riesigen Sony-TV um 3.000 Euro gekauft hatte, welcher nach 3 Jahren zu spinnen anfing. Sony meinte, eine Reparatur lohne nicht und wenn der Kunde, so der Verkäufer, keine Versicherung abgeschlossen hätte, aus der er fast 80% des Kaufpreises zurückerhalten habe, hätte er 3.000 Euro komplett abschreiben können.“

„Unglaublich“, murmle ich und schüttle den Kopf.

„Unglaublich, in der Tat“, sagt Kurt, „so sieht also Top-Qualität heute aus und am liebsten hätte ich dem Verkäufer gesagt, dass ich genau aus diesem Grund meinen alten Samsung durch einen neuen Hisense ersetzt habe, der ein Drittel weniger kostet als ein vergleichbarer Samsung und die Hälfte dieses vermeintlich tollen Sony da. Ich habe mir die Diskussion allerdings gespart, das Gerät gekauft und mein Onkel ist zufrieden – was das Wichtigste ist.“

Kurt holt neuen Punsch und als er die Becher abstellt, sagt er: „Gutes Styropor, der Becher ist stabil und man verbrennt sich nicht die Finger.“ Und dann erzählt er mir von einem anderen Weihnachtsmarkt, wo die Becher aus so minderwertigem Material waren, dass sie sich erstens glühend heiß anfühlten und er sie zweitens am oberen Rand kaum nehmen konnte, ohne sie zu zerdrücken.

In diesem Moment fange ich zu lachen an. „Du hast bestimmt den Film Der Weiße Hai gesehen“, sage ich zu Kurt, worauf er nickt. „Dann kennst du auch die berühmte Szene, in der sich der raubeinige Skipper während der Hai-Jagd mit dem eher schmächtigen Meeresbiologen unterhält und am Ende seine Bierdose zerdrückt, worauf der Meeresbiologe in einer stummen ironischen Antwort seinen Plastikbecher zerquetscht.“

Kurt lächelt. „Den Witz dieser Szene verstehen heute viele Menschen nicht mehr, aber damals, in den 1970er Jahren waren Getränkedosen tatsächlich dermaßen massiv, dass man verdammt viel Kraft ich den Fingern haben musste, um eine Dose so zu zerdrücken wie der Skipper im Film. In unserer Schulklasse schaffte es niemand.“

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