© Adobe Stock
in

Österreich hinkt bei FinTechs hinterher

von Mag. Christian Sec

FinTechs der ersten Generation gehören bereits zum alten Eisen. Jedoch beginnt in Europa erst jetzt die Szene so richtig durchzustarten.

Das Jahr 2021 war grundsätzlich ein Rekordjahr, nicht nur für die europäische, sondern auch für die heimische Startup-Szene. Der Gesamtwert der Investitionen in österreichische Start-ups stieg 2021 auf die neue Rekordhöhe von 1,23 Milliarden Euro – fast fünf Mal so viel wie 2020. Schuld dafür waren zum großen Teil die beiden „Einhörner“ – Startups, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet sind – GoStudent und Bitpanda. Allein diese beiden Unternehmen konnten mehr als die Hälfte der investierten Gesamtsumme für sich gewinnen. Bitpanda wurde überhaupt zum ersten Einhorn in der österreichischen Startup-Geschichte. Die Handelsplattform für Kryptowährungen hat im August vorigen Jahres in einer weiteren Finanzierungsrunde 223,5 Mio. Euro erhalten und damit ihren Unternehmenswert laut eigenen Angaben bereits auf rund 3,5 Mrd. Euro gesteigert. Insgesamt steckten Investoren bisher mehr als 420 Mio. Euro in den Wiener Neobroker. Das Ziel des Fintechs sei es, Bitpanda zur Nummer-Eins-Investmentplattform in Europa und darüber hinaus zu machen, erklärte der Firmenchef Eric Demuth.

Die Flucht ins Ausland

Viele österreichische Gründer ziehen jedoch ins Ausland, auch weil sie von einem besseren Netzwerk sprich Programmierer, Designer, Experten für digitale Geschäftsmodelle und Investoren, in der Startup-Industrie profitieren wollen. Auch für Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal führte der Weg von Wien nach Berlin, um dort die N26-Direktbank zu gründen. „Wenn man in Europa ein digitales Unternehmen aufbauen will, dann gibt es nur wenige Standorte, die geeignet sind. Einer davon ist Berlin“, erklärte Tayenthal 2017 in einem Interview. Berlin habe auch schon lange eine Startup-Kultur, Wien hingegen stünde noch am Anfang seiner Entwicklung, so Tayenthal weiter. Warum Österreich beim Thema Startups hinterherhinkt, ist ein vielschichtiges Problem, weiß auch Bernhard Lehner, cofounder des Inkubators startup300. So sind laut dem Investor die Initiativen viel zu zersplittert in Länder und Regionen, es gäbe keine übergreifende Koordination der Services der öffentlichen Hand, so Lehner. Zusätzlich gibt es verkrustete Strukturen „wie das Kammersystem, das oft nur den Anschein weckt, Innovation zu fördern aber in Wahrheit Klientelpoltik betreibt“. Neben den unzeitgemäßen Förderstrukturen bemängelt Lehner auch die Rückständigkeit des Bildungssystems, das nicht auf der Höhe der Zeit agiert. „Universitäten kennen keine Spin-off-Kultur und es gibt keine Entrepreneurial Education in Schulen“ Es bleibt also noch viel zu tun, um Wien zu einem Hub für Startups zu machen, so wie es Berlin oder Stockholm bereits sind. In Schweden einem Land mit vergleichbarer Einwohnerzahl gibt es rund drei Mal so viele VC-Gesellschaften wie in Österreich. Aber nicht nur private Investoren sorgen für finanzielle Unterstützung der Jungen Wilden, sondern auch der staatseigene Investmentfonds Almi Invest, die größte Venture Capital Gesellschaft des Landes ist und mittlerweile 331 junge Unternehmen im Portfolio hat. Dabei darf Almi jedoch nicht völlig unabhängig vom privaten Finanzierungsmarkt agieren, denn mindestens 30 Prozent der Finanzierungssumme für ein Startup müssen private Kapitalgeber beisteuern. Unter anderem mit diesem Konzept der staatlichen Förderung konnte sich Schweden als eines der Venture-Capital-Zentren weltweit etablieren, und damit auch ein Zentrum für Startups werden. „Wir können von Ländern wie Schweden lernen, dass es mit entsprechendem politischem Willen und der Zusammenarbeit über Partikularinteressen hinweg in kurzer Zeit gelingen kann, ein startupfreundliches Land zu werden“, so Lehner.

Silicon Valley dominiert

Bitpanda ist jedenfalls eines von 114 Fintech-Einhörnern weltweit mit Stand 2021. Die drei größten FinTech-Segmente sind dabei Zahlungsdienstleistungen mit 21 Prozent, Neobanken & Neobroker mit elf Prozent und Versicherungen, den sogenannten InsurTechs mit zehn Prozent. Unter den zehn größten FinTechs kommen fünf aus den USA, oder besser gesagt aus einer kleinen Region in der Nähe von San Francisco. Das Silicon Valley ist noch immer das Zentrum für schnellwachsende Tech-Unternehmen. Noch heute befinden sich in dieser kleinen Region in Nordkalifornien 136 Einhörner. Im Silicon Valley wirkt auch das höchstbewertete FinTech weltweit. Der Zahlungsdienstleister Stripe der u.a. von CapitalG, dem Venture-Arm von Alphabet, Peter Thiel und Elon Musk gefördert. Das Erfolgsprinzip des Silicon Valleys ist einfach. Ehemals erfolgreiche Startups, die nun globale Unternehmen geworden sind gründen ihre eigene Venture-Capital-Gesellschaften und ziehen damit ihrerseits wieder neue Startups bzw. Gründer an. Im März 2021 wurde Stripe mit 95 Mrd. US-Dollar bewertet. Mittlerweile hat der Online-Zahlungsdienstleister bekanntgegeben auch Auszahlungen in Kryptowährungen zu erlauben. An zweiter Stelle liegt bereits Klarna ein Zahlungsdienstleister aus Schweden, der die Zahlungsansprüche der Händler übernimmt und ab diesem Zeitpunkt deren Kundenzahlungen, wie z.B. Ratenzahlungen abwickelt. Insgesamt greifen über 200.000 Online-Händler in 17 Ländern auf Klarna zurück, sodass fast 100 Millionen Endverbraucher die Zahlungsmethoden des Unternehmens nutzen. Das schwedische Startup aus der Metropole Stockholm, woraus schon Startups wie Spotify ihren Siegeszug angetreten haben, wird mit Stand 2021 mit 31 Mrd. US-Dollar bewertet. Auch der drittplatzierte die Nubank aus Brasilien und der vierte und fünfte Platz aus Indien und Großbritannien zeigen, dass Startups im Allgemeinen und FinTechs im Besonderen nicht mehr nur im Silicon Valley erfolgreich sein können. Startup-Einhörner gibt es laut einer Studie des Economist in 45 Ländern. Der globale Anteil des gesamten Venture-Capitals, der in amerikanische Startups fließt sank von 84 Prozent auf weniger als 50 Prozent. Startup-Zentren gibt es nicht nur im Großraum San Francisco. In Deutschland heißt die Startup-Metropole Berlin. So ist es kein Wunder, dass das zweite große FinTech im deutschen Sprachraum neben N26 auch aus der deutschen Hauptstadt kommt. Trade Republic, ein Broker für Aktien- und Kryptowährungshandel ist mit 5,3 Mrd. US-Dollar das höchstbewertete FinTech im deutschen Sprachraum und das zweithöchste nach Klarna, in der EU.

Embedded Insurances

Auch das größte InsurTech Europas hat seinen Sitz in Berlin. Nach einer Finanzierungsrunde 2021 wurde das digitale Maklerportal Wefox von Gründer Julia Teicke mit drei Milliarden US-Dollar bewertet. Aber das größte InsurTech weltweit steht doch noch im Silicon Valley. Next Insurance weist einen Unternehmenswert von rund vier Milliarden US-Dollar aus. Das Startup versichert Unternehmer und gestaltet Versicherungsprodukte für Unternehmer. 2021 gab das Unternehmen eine Partnerschaft mit Amazon bekannt und versichert die Verkäufer damit versichert das Unternehmen nun Amazon-Verkäufer. Durch die Kooperation zwischen den beiden Unternehmen können Amazon-Business-Prime-Mitglieder problemlos allgemeine Haftpflicht-, Berufshaftpflicht-, Arbeitnehmerentschädigungs-, gewerbliche Auto- sowie Werkzeug- und Ausrüstungsversicherungsschutz direkt bei Next Insurance abschließen. Das Start-up verwendet Künstliche Intelligenz und Machine Learning, wodurch Kleinunternehmer in kürzester Zeit ein individuelles Angebot erhalten, das an die persönlichen Präferenzen angepasst werden kann. Dass Versicherungen mit anderen Produkten oder Dienstleistungen im Paket angeboten werden, ist einer der großen Trends der Versicherungsbranche und macht sogenannte eingebettete Versicherungen zu einem großen Wachstumsmarkt. Das gilt sowohl bei Amazon und Airbnb (Haftpflichtrisiken bei der Kurzfristvermietung einer Wohnung) als auch für Fahrräder oder Handys. Auch hier zeigt sich das Startup-Cluster Berlin mit dem Startup Simplesurance erfolgreich. Das Startup bietet seinen Firmenkunden Produktversicherungen zum Festpreis und ohne mühsame Anträge. Auch die Allianz investiert mit ihrem Venture-Capital-Arm stark in das Unternehmen. Auch Mobilfunkanbieter wie A1 kommen für eingebettete Versicherungslösungen in Frage. L’AMIE-Direkt aus Oberösterreich bietet Handyversicherungen per Häkchen im Vertrag an. Digitale Produktinnovation nutzen Technologien, wie z.B. das Internet der Dinge (IoT), Sensorik oder Messtechnik, um hierauf basierend bis dato nicht realisierbare Versicherungsprodukte zu kreieren. Die Abwicklung des Geschäfts läuft ebenso wie zu den Modellen mit Fokus auf Prozessinnovationen über volldigitale Prozesse. Klassiker sind hier Telematik-Angebote, die in einer analogen Welt nicht möglich wären. Auch hier wieder mit L’AMIE  oder POWIDO, Wetterheld und Wetterversicherung.com aus Deutschland.

Mehr dazu lesen Sie in der Juni Ausgabe von risControl Print.

Solide Aussicht

Neuer Rechtsschutztarif