Peter Humer ist Mitglied des Vorstandes bei UNIQA Österreich Versicherungen AG, war lange Zeit Landesdirektor in Salzburg und hat bereits im Jahre 1996 bei der ehemaligen Bundesländer Versicherung seine Karriere begonnen. Er kennt die Branche wie kein anderer und ist bereits seit 2017 im Vorstand von UNIQA Österreich. Wir haben mit ihm über die Veränderungen der Versicherungswirtschaft, Inflation, Nachhaltigkeit und Automatisierung im Arbeitsalltag gesprochen.
risControl: Die Welt hat sich in den letzten drei Jahren massiv verändert: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Lieferkettenproblematik. Welche Auswirkungen hat das aktuell auf die Versicherungswirtschaft und welche Veränderungen sehen Sie in den nächsten Jahren?
Peter Humer: Unsichere Zeiten beeinflussen naturgemäß die Finanzbranche – die Versicherungswirtschaft hat sich in der Vergangenheit und auch in der aktuellen Situation immer als resiliente und verlässliche Partnerin bewiesen. Denn: Je unsicherer die Zeiten, desto mehr steigt das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit und somit auch nach Absicherung. Das Bewusstsein für die eigene Gesundheit und auch die Vorsorge steigt seit Längerem. Durch die Pandemie, die wir in den vergangenen Jahren durchlebt haben, beschäftigen sich die Menschen noch intensiver mit ihrer Gesundheit und wie sie diese – im Sinne eines besseren Lebens – möglichst lange erhalten können. Das spiegelt sich stark in den Beratungsgesprächen wider, auch bei den Neuabschlüssen verzeichnen wir Zuwächse. Ebenso werden die Zusatzangebote in unserer Gesundheitsvorsorge verstärkt in Anspruch genommen. In der Pandemie hat sich das Kundenverhalten geändert, das bedeutet auch, dass klare und transparente Bereitstellung von Informationen für Kunden von großer Bedeutung ist: Was deckt ein Produkt ab und was nicht? Was beinhalten Vertragsbedingungen? Verständnislücken müssen geschlossen werden – das bedeutet für uns: Möglichst den persönlichen Bedürfnissen entsprechende, einfach aufgebaute Produkte und weiterhin eine ausführliche persönliche Beratung bei komplexeren Versicherungslösungen. Wir setzen stark auf Regionalität, aber auch auf alle modernen Vertriebssysteme, die es gibt. Der Kunde entscheidet, wo und wie er mit uns in Kontakt treten möchte.
Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine, der sich bereits zum ersten Mal gejährt hat, hat für einen Umbruch – auch für die Versicherungswirtschaft – gesorgt: Ein enormer Inflationsschub, volatile Kapitalmärkte, eine Eintrübung der Konjunktur und eine abrupte Zinswende. Als Versicherung ist es unsere Aufgabe, diese Herausforderungen zu meistern, das tun wir auch. Als UNIQA sind wir weiterhin in der Ukraine tätig, jeder einzelne Mitarbeiter in der Ukraine ist Teil der UNIQA Familie, wir unterstützen sie, wo wir können, und trotz der Rahmenbedingungen geht ein kleiner Teil des alltäglichen Lebens dort weiter. Grundsätzlich haben wir in den vergangenen Jahren alles gut bewältigt. Wir sind mehr in die digitale Nähe unserer Kunden gerückt – mittlerweile haben sich mehr als 500.000 Kunden in unserem myUNIQA Portal registriert und mehr als 250.000 Kunden nehmen am Kundenbindungsprogramm myUNIQA plus teil. Der Digitalisierungsschub war enorm und die Rahmenbedingungen haben auch zu neuen Produkten und Angeboten geführt, zum Beispiel für die mentale, aber auch körperliche Gesundheit.
Welche digitalen Prozesse braucht es, um dem Maklervertrieb den Arbeitsalltag zu erleichtern?
Der Vermittleralltag ist von Kommunikation, Akquisition und Administration geprägt. Digitale (Self-)Services erleichtern bestenfalls die Zusammenarbeit auf beiden Seiten, jener der Versicherung sowie jener der Maklerschaft. Um Freiraum für vertriebsoriginäre Aufgaben – wie Kommunikation und Akquisition – zu schaffen, gibt es einen erhöhten Handlungsdruck zur Bereitstellung von digitalen Administrationshilfen, wie z. B. den vollautomatisierten und digitalen Vertragsabschluss, den standardisierten Datenaustausch, den Zugriff auf Bestands und Vertragsdaten oder Self-Services zur schnellen Bearbeitung von Kundenanliegen (Änderungsgeschäft, Änderung der Stammdaten, Bankdaten etc.).
UNIQA baut diese digitalen Services aktuell konsequent über die Standardschnittstelle OMDS 2.0 und 3.0 insbesondere für große Maklerverbindungen, Vergleicher und Gruppierungen aus. Gleichzeitig stellen wir die genannten und weitere umfangreiche Services mit dem eigenen Tarifrechner U.CRM allen unseren Vertriebspartnern kostenlos zur Verfügung. Außerdem sollen zukünftig weitere SelfServices über ein Portal bereitgestellt werden, um den zusätzlichen Freiraum zu ermöglichen. Eine hohe Standardisierung und Automatisierung führen nicht nur zu mehr Freiraum für die Makler, wir profitieren natürlich auch davon. Ziel muss es allerdings sein, digitale Services entlang der gesamten Wertschöpfungskette des VermittlerGeschäftsmodells, von der Lead-Gewinnung über den Vertragsabschluss bis zur Bestandsübertragung, zu entwickeln. Dabei muss der Vermittler ins Zentrum des Handelns gestellt werden. Das Geschäftsmodell des Maklers wird sich dadurch ebenfalls verändern, weiterentwickeln, und dafür wird eine gewisse Offenheit und Flexibilität aufseiten der Vermittler nötig sein. Hierfür müssen gemeinsam digitale Standardlösungen/Innovationen entwickelt und auf beiden Seiten in die jeweiligen Geschäftsmodelle integriert sowie weiterentwickelt werden. Dafür sind perspektivisch Mitarbeitende aufzubauen, die eine hohe prozessuale und technische Affinität besitzen, um die Digitalisierungsthemen in der Versicherungsbranche zukünftig voranzutreiben. Es ist aber auch wichtig, sich technischer Tools zu bedienen, wie zum Beispiel OMNIUS – der digitale Sachbearbeiter, damit möchten wir Sorge tragen, dass im Bereich der Sachschäden die Hälfte aller Schäden um ein Vielfaches schneller abgewickelt werden. Denn der Digitalisierungsschub hat uns schon gezeigt, dass Kunden technikaffiner geworden sind und die angebotenen Tools nutzen. Daher müssen wir auch in diesem Bereich unser Angebot an die Marktbedürfnisse anpassen, was im Sinne aller Marktteilnehmer ist.
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