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„Über seltsame Leute, Lieutenant Joe Kenda und 33,7 Billionen Dollar Schulden

von Thomas Beckstedt

„Die Leute werden immer seltsamer“, sagt Kurt nach längerem Schweigen, während wir gemütlich über eine geschotterte Forststraße durch den Wald spazieren. Es ist ein milder, windstiller Herbsttag und die niedrige Sonne scheint mir direkt in die Augen. Ich bleibe stehen und frage gut gelaunt: „Wieso? Hattest du wieder einmal eine Begegnung der besonderen Art?“

„Das kann man wohl sagen“, erwidert Kurt, der ebenfalls stehen geblieben ist. „Unlängst war ich beruflich in Wien und rauchte am Praterstern vor dem Bahnhof eine Zigarette. Ich war ganz in mich gekehrt und plötzlich kam mir ohne mein Zutun ein lustiges Erlebnis aus einem meiner Urlaube in den Sinn, das mich zum Lächeln brachte. In diesem Moment trat ein junger Mann in mein Blickfeld und fragte mich im Vorbeigehen, ob ich ein Problem habe. Die Frage hat mich irritiert, und der lauernde Unterton in seiner Stimme wirkte alles andere als angenehm. Ich hatte ein ungutes Gefühl, aber etwas in mir wollte wissen, was diesen Typen antreibt. Also sagte ich mit bemüht ruhiger Stimme: ‚Nein, wieso?‘ Darauf er: ‚Und warum lachen Sie dann?‘“

„Echt?“, rufe ich. „Das hat er gesagt?“

„Ja“, sagt Kurt, „das waren seine Worte. Er wollte wissen, warum ich lache, wo ich doch in seinen Augen ein Problem habe.“

„Unfassbar!“ Ich schüttle den Kopf.

Kurt: „Vermutlich hat sich der Typ durch mein Lächeln provoziert gefühlt, obwohl ich ihn gar nicht angeschaut habe und keinerlei Gesten in seine Richtung machte. Ich bin einfach nur dagestanden und habe vor mich hingelächelt. Nun, wie auch immer: Ich wollte seine Wortspende nicht unkommentiert lassen und sagte laut, während er an mir vorbeitrottete, dass hier wohl jemand anderer ein gröberes Problem hat. Innerlich war ich vorbereitet, dass er mich attackiert, aber er ging ohne mich anzuschauen weiter und sagte kein Wort mehr. Seltsam nicht wahr?“

„Seltsam, in der Tat“, erwidere ich nachdenklich. „Sehr seltsam.“

Wir setzen uns wieder in Bewegung, und während wir den Forstweg entlang schlendern, atmen wir die frische Waldluft genüsslich ein.

„Da fällt mir ein“, sage ich nach einer Weile, „dass ich diesen Sommer auch so eine seltsame Begegnung hatte.“

„Ja“, meint Kurt. „Lass hören …“

„Es war auf dem Parkplatz des Baumarktlagers, wo ich mit meinem Lieferschein darauf wartete, dass ein Lagermitarbeiter mir die Ware ausfolgt. Ich weiß nicht mehr, was ich gekauft hatte, aber es ist auch egal. Jedenfalls stand ich neben meinem Auto, als so ein Kerl in meinem Alter mit seinem Wagen neben mir hielt und durch das geöffnete Fenster zu mir sagte: ‚Wenn du nicht gleich mit deinem Auto da wegfährst, fahr ich dir eine Beule rein!‘“

„Halleluja!“, stößt Kurt hervor. „Das hat er wirklich zu dir gesagt, ich meine so völlig ohne Ansatz?“

„Richtig, die Drohung kam wie aus dem Nichts. An diesem Tag herrschte reges Treiben bei diesem Baumarkt, aber offenbar fand der Kerl, dass er Sonderrechte hat und ich mich in Luft auflösen soll.“

„Leute gibt es …“ Kurt wischt sich verständnislos über die Augen.

„Natürlich hatte ich sofort einen hohen Blutdruck“, fahre ich fort, „aber weil ich ein Mann des Friedens und nicht der Gewalt bin, habe ich davon abgesehen, den Klappspaten aus dem Kofferraum zu holen, um besagtem Kerl ordentlich die Visage zu polieren. Stattdessen sagte ich zu ihm, dass wir ersten nicht per Du wären und ich zweitens die Polizei rufe, wenn er mich nochmals bedroht. Und sollte er tatsächlich mein stehendes Auto rammen, würde ich auch die Polizei rufen und er hätte hinterher gewiss viel Spaß mit unseren Versicherungen, denn den gesamten Schaden würde er selbst bezahlen müssen. Dann nahm ich mein Handy heraus und fragte ihn, ob ich gleich ein Filmchen von ihm für die Polizei drehen soll oder erst hinterher. Das hat gewirkt. Er grummelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin und trat den Rückzug an.

Kurt seufzt. „Die Leute werden echt immer seltsamer, aber seien wir froh, dass wir in einem Land leben, wo diese Typen nicht gleich zur Knarre greifen und losballern. Du kennst bestimmt die Fernsehserie Homicide Hunter – Dem Mörder auf der Spur mit Lieutenant Joe Kenda, der gemäß eigener Aussage fast 400 Mordfälle aufgeklärt hat.“

„Klar doch, eine Doku, die mir gut gefällt – und ich weiß, was du meinst. In den Städten des reichen Uncle Sam gibt es von Straßengewalt verseuchte Viertel, wo alle möglichen Gangs ihr Unwesen treiben und sich man für das Tragen eines T-Shirts in der falschen Farbe oder ein paar unbedachte Worte schnell eine Kugel einfängt – oder man endet als Kollateralschaden bei einer wilden Schießerei zwischen einem durchgeknallten Amokschützen und der Polizei.“

„Ganz recht“, sagt Kurt, „aber Uncle Sam ist in Wahrheit gar nicht reich. Schulden überall – und sie wachsen und wachsen. Eigentlich ist er pleite. Bis zum 31.12.2022 hatte Uncle Sam einen Schuldenberg von 31,4 Billionen Dollar angehäuft, dem er in den ersten zehn Monaten dieses Jahres weitere 2,3 Billionen hinzugefügt hat. Stand heute betragen die Schulden der US-Regierung 33,7 Billionen Dollar –anders formuliert sind das satte 33.700 Milliarden.“

„Schwer vorstellbar“, erwidere ich nachdenklich, „und ich bin neugierig, wie lange das noch so weitergeht, bis dieses System der ewigen Neuverschuldung krachen geht und der Kampf jeder gegen jeden beginnt.“

Kurt nickt. „Irgendwann bricht es bestimmt zusammen, aber aktuell scheint sich niemand besondere Sorgen darüber zu machen. Weder dort noch da, und wir in Europa haben auch ziemliche Hypotheken in unserem Rucksack, wenngleich nicht so krasse. Und weil sich kaum jemand darüber besondere Sorgen macht, sollten wir uns auch den Kopf nicht schwermachen. Genießen wir diesen herrlichen Herbsttag! Schau, Thomas, dort drüben stehen zwei Rehe in der Sonne. Sind sie nicht herrlich anzusehen …?“

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