In diesen Tagen tauschen Kurt und ich unsere Silvestererlebnisse aus und philosophieren ein wenig darüber, was dieses noch so junge Jahr 2025 an Neuigkeiten für uns bereithält.
Kurt feierte, wie er mir sagt, seit etlichen Jahren Silvester wieder einmal in Graz.
„Graz?“, frage ich erstaunt, weil mir sofort in den Sinn kommt, dass es dort schon seit Jahren kein Feuerwerk mehr gibt – Stichwort: Feinstaubbelastung! – und weiß, dass Kurt Feuerwerke sehr schätzt. Ich spreche ihn darauf an.
„Ja, stimmt“, sagt er. „Dennoch wollte ich wieder nach Graz, weil ich diese Stadt sehr sympathisch finde. Außerdem setzte ich meine Hoffnung auf das Grazer Silvester-Spektakel, das als umwelt- und tierfreundliche Alternative zum Feuerwerk bei freiem Eintritt am Hauptplatz vor dem Rathaus angepriesen wurde, mit meterhohen Wasserfontänen, riesigen Feuerbällen und Laserstrahlen, die den Platz in eine faszinierende Farbenwelt verwandeln würden.“
„Und?“, frage ich, „wurde das Versprechen auch eingelöst?“
„Nicht so ganz“, erwidert Kurt. „Ich habe mir, quasi zum Einstimmen, die sogenannte 90s Reloaded Show um 21 Uhr angesehen. Die Musikauswahl aus den 1990er Jahren hat mich nicht sonderlich angesprochen und das groß angepriesene Spektakel war, wie ich fand, doch eher überschaubar.“
Dann nennt mir Kurt ein paar vergleichbare Events, die er wesentlich besser fand, ehe er wieder auf das Thema Feinstaub zu sprechen kommt: „Ich will ja nicht leugnen, dass Feinstaub inzwischen zu einer echten Belastung geworden ist, wenngleich ich das Ausmaß des Problems selbst nicht überprüfen kann. Ich muss glauben, was ich in den Zeitungen lese und im Fernsehen sehe. Aber was ich selbst sehe sind endlose LKW-Karawanen auf unseren Straßen und viele neue Logistikzentren, die in den letzten Jahren neu errichtet wurden − und dieser Bauboom hält, wie sich leicht feststellen lässt, weiterhin an. Es ist im Übrigen auch kein Geheimnis, dass schwere Dieselnutzfahrzeuge und Reifenabrieb im Allgemeinen zu den größten Verursachern von Feinstaub zählen. Aber niemand versucht ernsthaft, den Schwerverkehr auf unseren Straßen zu reduzieren. Man spricht viel lieber über den bösen Individualverkehr und sagt Feuerwerke ab. Himmelherrgott! Was produziert schon das eine oder andere Feuerwerk an Feinstaub verglichen mit den über 50 Milliarden Tonnenkilometern, die in einem einzigen Jahr über Österreichs Straßen bewegt werden.“
„Tja“, sage ich, „Privatpersonen haben eben keine Lobby, weder in Wien noch in Brüssel. Auch nicht die Fans von öffentlichen Feuerwerken.“
Kurt nickt: „Nachdem mich besagte Show nicht gerade umgerissen hat, habe ich ernsthaft überlegt, Silvester im Hotelzimmer zu verbringen und mir die Feuerwerke in den Metropolen dieser Welt anzusehen: London, Singapur, Sidney u.s.w. Doch dann habe ich mich doch auf den Weg gemacht, um Silvester im Freien auf einer Mur-Brücke zu erleben. Was soll ich dir sagen? Das Wetter, das tagsüber ausnehmend schön gewesen ist mit viel Sonne, hatte völlig umgeschlagen. Dichtester Nebel wie in ein einem Edgar-Wallace-Film aus den 1960ern. Der Nebel war in gewisser Weise fast tröstend, denn vom schönsten Feuerwerk hätte man bei solchen Wetterbedingungen außer farbigen Flecken im Nebel ohnedies nicht viel gesehen. Ich habe so etwas schon einmal erlebt, vor etlichen Jahren in Salzburg. Doch zurück nach Graz: Um Mitternacht jedenfalls – und man glaubt es kaum – gingen rund um Graz die Feuerwerke los. Vermutlich galt das Feuerwerksverbot nur für die Stadt Graz als solches, aber nicht für das Umfeld, und an den Stadtgrenzen wurde heftig geballert. Offenbar mögen die Leute dort Feuerwerke, und wenn die Stadt nichts tut, nehmen sie die Sache eben selbst in die Hand. Recht so, dachte ich, das ist gelebte Demokratie! Wobei ich es natürlich schon besser und auch sicherer fände, wenn es ein schönes Feuerwerk für die Allgemeinheit gäbe statt viele private.“
„Verzeih meinen Gedankensprung“, werfe ich ein, „aber irgendwie erinnert mich die Sache ein wenig an die Energie-Philosophie in Deutschland: Man will keine Kohle- und Atomkraftwerke, auch keine Gaskraftwerde …“
„Oh, nur kein Gas“, lacht Kurt. „Gas ist ganz schlecht!“
„Vor allem, wenn es aus einem bestimmten Land kommt, ich bin völlig bei dir. Andrerseits hat man in Deutschland keine Bedenken, Atomstrom zu importieren. Warte man …“ Ich nehme mein Smartphone und gebe in die Suchmaschine ‚Deutschland importiert Atomstrom‘ ein. Gleich der erste Treffer lautet: Die neuen Zahlen der Bundesnetzagentur haben es in sich: Deutschland importierte 2024 17.300 GWh Atomstrom! 2023 waren es noch 11.000 GWh, 2022 4500 GWh.“
„Ein interessanter Aspekt“, stimmt Kurt zu, „aber ein anderer Gedanke ist zum Thema Feinstaub und Absage von Feuerwerken noch besser geeignet, um die aktuelle Situation zu beschreiben: Wir leben in sehr gewalttätigen Zeiten, Kriege und Krisen, wo man hinsieht. Im Jahr 2023 betrugen die Rüstungsausgaben weltweit rund 2,4 Billionen Dollar, das sind 2.400 Milliarden. Aber was sind Raketen und Bomben? Überdimensionale Feuerwerkskörper und gigantische Böller, die jede Menge Feinstaub produzieren und außerdem unzählige Menschen grausam töten. Frieden schafften ohne Waffen! Mein Gott, wie ich diesen Slogan vermisse! Und wenn dieser gewaltige Krieg da im Osten, über den ohnedies niemand mehr sprechen mag, zumindest nicht in meinem Bekanntenkreis, endlich zu Ende ist, veranstalte ich eine große Gartenparty mit einem tollen Feuerwerk als Höhepunkt.“